zum Hauptinhalt
314259_0_838f90fd.jpg

© laif

Google: Herrscher über den Alltag

Der Suchmaschinenbetreiber Google speichert Daten über persönliches Verhalten – und der neue Dienst "Goggles" löst Ängste aus.

Manche sehen in seinen Expansionsbestrebungen einen Griff nach der Weltherrschaft. Andere preisen die Vorzüge immer neuer Möglichkeiten. Klar ist, dass sich Google immer tiefer in unseren persönlichen Alltag eingräbt. Einige Nachrichten aus den letzten Tagen lösen Ängste aus, Ängste vor einem Konzern, der immer mehr eindringt in unsere Privatsphäre, und der unser Verhalten nicht nur beobachtet, sondern auch immer mehr beeinflusst.

So gibt es Berichte, nach denen Google das Suchverhalten Computern zuordnet und speichert. Wer dann noch über GoogleMail seinen Namen verrät, überlässt mit seiner täglichen Google-Suche sehr viele Informationen über sich einem Konzern, der wegen seiner Neugier immer mehr in die Kritik gerät. Unruhe verursacht außerdem ein neuer Dienst, den Google jetzt angekündigt hat. Er heißt „Google Goggles“. Wer auf seinem Handy eine bestimmte Software geladen hat, kann ein Foto machen und direkt bei Google über das Handy nachfragen, worum es sich bei dem Fotografierten handelt. Sofort schickt Goggle Informationen über das Fotografierte zurück. Zwar erklärte Google, dass keine Personensuche möglich sei, dennoch lösen solche Neuerungen Ängste aus.

Die Liste an Dienstleistungen und Services wird immer länger. Vom eigenen E-Mail-Programm GoogleMail, über die Videoplattform YouTube, von der Bilderbearbeitungssoftware Picasa über den Kartendienst Google Maps und Street View reicht die Bandbreite. Seit Oktober ist Google auch Anbieter von Navigationssystemen. Und der Suchmaschinengigant wächst weiter. Immer mehr Anwendungen führen zu einer Art erweiterten Realität, einer vor allem von Google betriebenen Erweiterung der Realitätswahrnehmung. „Augmented Reality“ heißt der Begriff, der seit geraumer Zeit die Runde macht. Man könnte auch von übergestülpter Realität sprechen, eine Realität, die ohne Goggle nicht möglich wäre. Dass sie keine Fiktion mehr ist, zeigen bereits einige Beispiele.

Bereits heute ist es mit einem Android-Handy von Google möglich, mittels GPS und Navigationssoftware, genauso gut seinen Weg zu finden wie mit einem Navigationsgerät im Auto. Sogar aktuelle Staumeldungen aus dem Internet und alternative Routen sind abrufbar. Um welches Bauwerk es sich handelt, lässt sich mittels Cyclopeida ermitteln, einer Anwendung, die in Echtzeit auf dem Bildschirm anzeigt, vor welcher Sehenswürdigkeit man gerade steht. Zudem gibt es erklärende Texte, die direkt in das Kamerabild eingeblendet werden, mit entsprechendem Eintrag aus der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Wer das nächste Restaurant ansteuern will und nicht weiß, wo es sich befindet, lässt es sich mit dem Handy-Browser Layar und der eingebauten Suchfunktion auf dem Bildschirm einfach anzeigen, versehen mit Nutzer-Bewertungen über die Qualität des Essens.

Und auch bei der Wohnungssuche hilft die erweiterte Realität. So lässt sich mit dem Handy die aktuelle Position eingeben und in einem bestimmten Radius anzeigen, wo die Wohnung liegen soll. Eine Art Mini-Radar zeigt anschließend an, in welcher Richtung sich die künftigen vier Wände genau befinden.

Zuletzt machte Google mit der Ankündigung von sich reden, Echtzeit-Nachrichten aus sozialen Netzwerken, wie Twitter oder Facebook, in die Suchmaschinenabfrage zu integrieren. Nach Angaben der „New York Times“ sollen zukünftig dynamische Echtzeit-Informationen die Webwelt ergänzen. Erst im Oktober hatte Google mit Twitter einen Vertrag unterzeichnet, weitere Vereinbarungen mit Facebook und MySpace sollen folgen. So sollen beispielsweise mit „Google Trends“ „heiße Themen“ aus dem Echtzeit-Web durch Informationen von Twitter-Nutzern ergänzt und in den Dienst integriert werden. Die Nutzer sehen dann, über was sich die Menschen bei Twitter so alles austauschen. Nachrichten-Updates aus den öffentlichen Facebook-Einträgen oder Kommentare auf MySpace sollen bei der Echtzeitsuche in Google auftauchen. Die Resultate sind allerdings zunächst nur auf der englischsprachigen Seite von Google verfügbar. Die „New York Times“ verweist zudem auf die Möglichkeit, wonach eine Suche im Mobiltelefon nicht nur mittels Ortseingabe, sondern auch per Spracherkennung möglich ist. So lassen sich bereits heute Suchanfragen im Handy durch Sprechen des gesuchten Wortes in Englisch oder Chinesisch stellen. Zukünftig sollen auch Übersetzungen mit Google möglich sein. So ließe sich beispielsweise eine Anfrage auf Englisch ins Spanische übersetzen. Weitere Sprachen sollen folgen. Geplant ist das Angebot für das Jahr 2010.

Besonders innovativ sind die visuellen Suchfunktionen für Handys, die oben genannten „Google Goggles“. Sie stehen bereits jetzt für Smartphones mit dem Handy-Betriebssystem Android zur Verfügung. Es ermöglicht die Suche mit Bildern. Durch Fotos lassen sich so unbekannte Orte lokalisieren oder Objekte analysieren. Die Bilderkennungssoftware vergleicht die Bilder mit jenen aus den Beständen in der Google-Bildersuche. Wird eine Übereinstimmung gefunden, gibt die Anwendung Suchbegriffe aus, die sich auf das gefundene Bild beziehen. „Goggles“ erkennt derzeit mehrere Millionen Objekte. Dazu zählen Plätze, Kunstwerke und Firmenlogos. Um Orte zu suchen, muss nicht einmal ein Foto aufgenommen werden. Nach dem Einschalten der Anwendung wird das Mobiltelefon in Richtung der gewünschten Lokalität gehalten und Goggles erkennt mithilfe der GPS-Funktion sowie des Geräte-Kompasses den gesuchten Ort und zeigt dessen Namen in der Kamera an. Der Dienst befindet sich zurzeit noch im Teststadium innerhalb des Ideen-Pools „Google Lab“, in dem das Unternehmen neue Technologien testet.

Nach Personen soll indes vorerst noch nicht gesucht werden können, wie der Google-Chefingenieur Vic Gundotra jüngst auf einer Pressekonferenz mitteilte. Zunächst müssten noch Fragen hinsichtlich des Schutzes der Privatsphäre geklärt werden. Schließlich ließen sich damit auch Personen identifizieren und einem Foto auch der entsprechende Name zuordnen. Christian Stöcker befürchtete in „Spiegel Online“ die totale Überwachbarkeit mit den technischen Möglichkeiten: „Künftig will Google also auch wissen, was sie gerade sehen“. Das Szenario: Mit einem Android-Handy der nächsten Generation, „verknüpfe Google die Wissenschaftsmaschine Internet mit realen Orten, Objekten und irgendwann womöglich auch Personen.“ Für die kostenlosen und nützlichen Dienste des Unternehmens Google müssten die Nutzer einen hohen Preis zahlen. „Wir alle sollen uns vom bürgerlichen Konzept der Privatsphäre verabschieden“, schreibt Stöcker. Bernd Theiss von der Fachzeitschrift „Connect“ sieht eine Personensuche via Foto-Check als rechtlich höchst fragwürdig an: „Es besteht die Gefahr einer Überwachung. Vor allem, dass dann jeder jeden überwachen kann.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false