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Panorama: Grand Prix: Michelle gegen Michelle

Die Niederlande entsenden wie Deutschland zum diesjährigen internationalen Schlager-Grand-Prix am 12. Mai eine Sängerin namens Michelle nach Kopenhagen.

Die Niederlande entsenden wie Deutschland zum diesjährigen internationalen Schlager-Grand-Prix am 12. Mai eine Sängerin namens Michelle nach Kopenhagen. Die 19-Jährige aus der südniederländischen Provinz Limburg setzte sich am Wochenende in Rotterdam beim nationalen Songfestival mit dem englischen Schlager "Out on my own" gegen sieben Mitbewerber durch. Die Studentin vom Konservatorium in Amsterdam besingt darin ihre ersten Schritte in ein selbstständiges Leben. In Kopenhagen wird sie als erste Sängerin den Wettbewerb eröffnen. Ihr Lied wurde von zwei Landsleuten komponiert. Um die Verwirrung komplett zu machen: Auch Norwegen geht beim Festival mit einem Song unter dem Titel "Out on my own" an den Start.

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Michelle hat der deutschen Grand-Prix-Welt ein bisschen Frieden gebracht - doch nur ein winziges bisschen. Denn nach ihrem Sieg beim deutschen Vorentscheid ging die Aufregung um den Wettbewerb weiter. Schlager-Altstar Udo Jürgens (66) ließ kaum ein gutes Haar an der knapp zweistündigen Show aus Hannover: "In einer ernst zu nehmenden Musiksendung hat es noch nie so etwas gegeben, wie das, was Zlatko und Moshammer da gebracht haben. Da war kein Ton richtig", sagte er der "Welt am Sonntag" ("WamS"). Und wie alle Jahre wieder folgte nach der Show prompt der Vorwurf, das Sieger-Lied sei geklaut, wie die "Bild am Sonntag" ("BamS") zu berichten wusste.

Dabei hatte sich die deutsche Schlagernation noch rührselig in den Armen gelegen am Freitagabend. Hatte doch die erfolgreiche Schlager-Interpretin Michelle (29) - flankiert von gestandenen Sängerinnen wie Joy Fleming und Ralph Siegels Schützling Lou auf Platz zwei und drei - den Trash-Stars wie Zlatko und Rudolph Moshammer keine Chance gelassen. Michelle hatte beim Publikum für Begeisterungsstürme gesorgt, während Zlatko und Moshammer auch Buh-Rufe erhielten. Bei der anschließenden Pressekonferenz wertete Michelle ihren Erfolg als Plädoyer für den klassischen Schlager. Sie freute sich überschwänglich ("Ich liebe euch, Dankeschöööön"), Grand-Prix- Altvater Siegel gratulierte herzlich mit zwei Küsschen und Guildo Horn war ganz gerührt: "Da war Herz drin. Das ist gute Musik. Ich habe eine richtige Gänsehaut bekommen."

Auch die Medien überschlugen sich mit Lobpreisungen: "Der deutsche Schlager hat seine Würde wieder!", jubelte "Bild"; "Die Stimme siegte", titelte das "Hamburger Abendblatt". Nur die "Hamburger Morgenpost" schrieb auf, was auch viele der bis zu 14 Millionen TV-Zuschauer dachten: "Es war ein einziges Grauen".

Das sah auch Udo Jürgens so. "Durch ein Lied allein kann nicht der gesamte deutsche Schlager gerettet werden", meinte Jürgens. Zwar habe mit Michelle eine seriöse Sängerin gegen die "Comedy-Fraktion" gewonnen. Aber das gesangliche Niveau der Darbietungen sei zu 90 Prozent eine Katastrophe gewesen. Dass Zuschauerinteresse sei reine Neugier gewesen: "Die wollten Moshammer und Zlatko sehen, nicht gute Musik hören. Auch ich habe nur deswegen den Fernseher eingeschaltet."

Eine Zuschauerin konnte sich ganz gewiss nicht mit Schlager- Deutschland freuen - die Kölner Sängerin Ava Cimiotti (36). Das Sieger-Lied "Wer Liebe lebt" sei geklaut, sagte sie. "Ich habe es schon vor zwei Jahren für Michelles Plattenfirma auf CD gesungen. Die haben dann zwar das Lied behalten, aber mich einfach abserviert."

Das sei allerdings kein Grund für eine Disqualifikation, wie der deutsche Grand-Prix-Verantwortliche vom NDR, Jürgen Meier-Beer, erklärte. Von der Aufnahme Cimiottis gebe es bisher lediglich einige Demo-CDs. "Ich habe seit Dezember die Bestätigung des obersten europäischen Grand-Prix-Ausschusses, dass hier kein Regelvorstoß vorliegt." Auch Michelle konterte: "Sie hat ja das Lied nicht geschrieben, also auch keine Rechte darauf, es zu singen (...) Außerdem klang das Lied mit ihrer Stimme grauenhaft."

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