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Großbrand bei London: "Wie löscht man die Hölle?"

Es ist das größte Feuer in der Nachkriegsgeschichte Europas. Was die mehr als 150 Feuerwehrleute am Buncefield Oil Depot unweit des Flughafens Luton erwartet, hat noch kein aktiver britischer Brandbekämpfer aus nächster Nähe gesehen.

London - «Wie löscht man die Hölle?» Immer wieder hat sich Roy Wilsher diese Frage gestellt. Sich und den gut einem Dutzend Experten der britischen Feuerwehr und der Ölindustrie. Einen Tag und eine ganze Nacht lang. Wach gehalten durch Kaffee und immer neue kleine Explosionen. Tank für Tank hat das Feuer eines der größten Treibstoff-Depots des Vereinigten Königreichs vernichtet.

So viel stand rasch fest: Mindestens drei, wenn nicht bis zu fünf Tage würden die Flammen wüten, wenn man sie ausbrennen ließe und nur am Rande mit herkömmlichen Wassereinsätzen die Ausbreitung verhindern würde. Die Folgen für die Umwelt, auch so schon schlimm genug, währen möglicherweise verheerend.

Am frühen Montagmorgen, noch in der Dunkelheit fällt die Entscheidung. «Wir versuchen, einen riesigen Teppich aus Schaum zu schaffen», machte Hauptbrandmeister Wilsher, der Chief Fire Officer der an London angrenzenden Grafschaft Hertfordshire, seinen Männern klar. «Wir müssen die Sauerstoffzufuhr blockieren, wir müssen das Inferno ersticken.» Dann gibt der Einsatzleiter kurz und knapp das «Go Ahead».

Was die mehr als 150 Feuerwehrleute am lichterloh brennenden Buncefield Oil Depot unweit des Flughafens Luton erwartet, hat noch kein aktiver britischer Brandbekämpfer aus nächster Nähe gesehen. «Das ist größer und gefährlicher als alles», sagt einer von ihnen. Gegen 4 Uhr am Montagmorgen ist zwar der Auftrag klar, doch es sind längst nicht alle technischen Voraussetzungen gegeben.

Aus anderen Landesteilen werden Hochdruckpumpen und -Schläuche herangeschafft. Schaumkanonen werden in Stellung gebracht. Ein künstlicher See wird mit einer dicken Schaummasse aufgefüllt. Aus dem Grand-Union-Kanal wird Wasser gepumpt, das mit dem Schaum gemischt und dann unter Hochdruck in Richtung des brennenden Depots gepumpt werden soll. Zwei bis drei Millionen Liter pro Stunde.

Die Zeit rast, die Flammen schießen inzwischen fast noch höher in den Himmel als kurz nach der Explosion vom Sonntagmorgen, die selbst in Holland so mancher gehört haben will. Endlich steht die Technik. Wilsher schickt seine Männer in den Einsatz zwischen Hoffen und Bangen. Sie haben Atemgeräte, tragen Gasmasken und spezielle Thermoanzüge. Die Hitze ist so unerträglich, dass zunächst auf knapp 100 Meter an die Flammen herankommen. Nach Minuten müssen sie zurück, müssen die Schaumkanonen Kameraden übergeben, die sich gerade abgekühlt haben.

«Die Männer», sagt der sportlich-untersetzte Wilsher, «betreten völliges Neuland. Es gibt keine Garantie für einen Erfolg. Wir wissen nicht einmal, ob die enorme Hitze den Schaum nicht einfach pulverisiert.» Dann die schlechte Nachricht: Der Wind ist stärker geworden und dreht ständig. Wo eben noch ein Feuerwehrmann relativ sicher stand, können Böen ätzende und beißend heiße Feuer- und Rauchschwaden hinblasen. Doch die Männer halten durch. Viele von ihnen sind aus Hertfordshire. Und sie kennen das Motto ihrer Heimatgrafschaft, das aus den besten Tagen der uralten Festung Hertford stammt: «Trust and Fear Not» (Vertraue und fürchte nichts). (Von Thomas Burmeister, dpa)

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