zum Hauptinhalt

Großbritannien: Ernstfall Hochzeit

Auch Scotland Yard und die Armee bereiten sich in London auf die königliche Hochzeit vor. Das Ereignis wird eine der größten und teuersten Sicherheitsoperationen.

Die königliche Hochzeit in London am Freitag wird eine der größten und teuersten Sicherheitsoperationen in der Geschichte von Scotland Yard. Dabei ist die Hochzeitsroute vom Buckingham Palast zur Westminster Abbey nur 2,1 Kilometer lang. Prinz Charles und Diana waren 1981 zur St.-Pauls-Kathedrale per Kutsche noch 3,4 Kilometer unterwegs.

Aber noch nie war die Gefahrenlage so komplex. Großbritannien steht wegen möglicher Al-QaidaTerroranschläge dauerhaft unter der zweithöchsten Sicherheitsstufe. Islamische Extremisten haben insbesondere die Königliche Familie „wegen ihrer Unterstützung des Afghanistankrieges“ als Ziel identifiziert. „Der Tag, von dem die Nation so lange träumte, wird ein Albtraum werden“, drohte die Organisation „Muslime gegen Kreuzzüge“. Eine Demonstration dieser Islamistengruppe am Tag der Hochzeit wurde verboten.

Auch englische Anarchisten und Antikapitalisten wollen die Hochzeit stören und haben eine „Gegenparty“ angekündigt. Sie sind von den Protesten gegen Sparmaßnahmen und neue Unigebühren beflügelt und haben gelernt, mit Twitter und Facebook in kürzester Zeit „Flash-Mobs“ zu organisieren – beispielsweise bei der Attacke auf die Limousine von Prinz Charles am Rande von Demonstrationen im Dezember. Auch irische Terroristen wollen mitmischen, die seit einigen Monaten wieder auf dem Kriegspfad sind.

Zu den größten Gefahren zählt die Polizei isolierte Stalker und Spinner – so gibt es rund 10 000 Menschen mit mentalen Problemen, die jährlich Briefe an die Queen schreiben. Von solchen Einzelgängern kann die größte Gefahr ausgehen, weil sie in ihrer Unauffälligkeit alle Sicherheitssysteme unterlaufen.

Nicht zuletzt muss die Polizei am 29. April den Personenschutz für Prominente gewährleisten. Für das Goring Hotel, wo die Braut die Nacht vor der Hochzeit verbringt und die Middleton-Familie ihr Quartier aufschlägt, ist eine besondere Polizeioperation geplant, deren Einzelheiten geheim bleiben. Niemand war amüsiert, als Pfadfinder in Surrey bei einem Geländespiel zum Spaß die Entführung von Kate Middleton simulierten. „Dies ist ein Tag des Nationalen Feierns“, warnte Einsatzleiterin Lynne Owens potenzielle Störer.

Die 44-jährige Polizistin im Rang eines stellvertretenden Polizeipräsidenten setzt darauf, dass die große und wohlwollende Menge die beste Waffe der Polizei sein wird. „Wenn irgendjemand etwas Verdächtiges sieht oder etwas, was auf kriminelle Akte hindeuten könnte, hoffen wir, dass das sofort einem Polizeibeamten mitgeteilt wird“, sagte sie. Als vor ziemlich genau 20 Jahren bei der „Trooping the Colour“-Zeremonie der 17-jährige Marcus Serjeant sechs Schüsse aus einer Schreckschusspistole auf die Queen abgab, war er von Bürgern überwältigt, bevor die Polizei an ihn herankam.

Seit Tagen wird die Prozessionsstrecke von Sicherheitsbeamten gesichert. Polizei und Armee üben pausenlos ihren Einsatz. Ampelanlagen und Laternenpfähle werden untersucht und versiegelt. Auf Dächern und in den – größtenteils öffentlichen – Gebäuden an der Strecke werden Scharfschützen und Beobachter mit Ferngläsern und Videokameras postiert. Nicht nur im Festgebiet selbst, auch weiträumig in der Stadt wird das Geschehen aufmerksam auf Londons dichtem Netz von Überwachungskameras beobachtet. Sonderpolizisten des „Beurteilungszentrums für Obsessive“ haben begonnen, amtsbekannte fanatische Monarchie-Gegner zu Hause zu besuchen und zu befragen. Viele Beobachter bezweifeln, dass die offizielle Schätzung der Sicherheitskosten von 20 Millionen Pfund ausreicht.

Umstritten sind weitreichende Sonderbefugnisse, von denen die Polizei auf Grund der Antiterrorismusgesetze Gebrauch machen will. Notorische Störer der Anarchoszene sollen ähnlich wie Fußballrowdies schon vor der Hochzeit abgefangen und an der Reise nach London gehindert werden. Personen können bei dem geringsten Verdacht nicht nur befragt und durchsucht, sondern auch verhaftet werden. Ein Vermummungsverbot wird in Kraft sein.

Neben Tausenden von Polizisten, die in feierlichen Umhängen die Strecke säumen, befinden sich Hunderte von Polizisten in Zivil in der Menge. Wie viele Beamte insgesamt eingesetzt werden, ist geheim. Auch die Pagen, die hinten auf den Kutschen stehen, sind in Wahrheit ausgebildete Sicherheitsbeamte, die im Notfall nicht davor zurückschrecken, ihre Waffen zu zücken.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false