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Großbritannien: "Scheidungsväter" lösen sich auf

Sie haben Tony Blair mit Kondomen beworfen, die mit Mehl gefüllt waren und den Verkehr im Zentrum Londons lahm gelegt. Nach drei aktiven Jahren kam nun das Aus für "Fathers 4 Justice" - die originellste und wohl weltweit bekannteste Organisation von "Scheidungsvätern".

London - Sie sind sogar schon bis in den Buckingham-Palast vorgedrungen, um vor laufenden Kameras auf die Not von Vätern aufmerksam zu machen, die ihre Kinder nicht mehr sehen dürfen. Nachdem angeblich ernsthafte Pläne der «F4J» zur Entführung des fünfjährigen Sohns von Premierminister Blair Negativ-Schlagzeilen machten, zog Matt O'Connor die Notbremse. «Alle Sympathien für uns dürften jetzt dahin sein», sagte der Gründer der auch als «Dad's Army» und «Super Dads» bekannten Gruppe am Donnerstag. «Uns bleibt nur noch die Auflösung.»

Schuld sind wohl nicht allein einige radikale Ex-Mitglieder der «Väterarmee», die Mitte Dezember 2005 die Entführung des kleinen Leo Blair durch ein Kommando in Weihnachtsmannkostümen diskutierten. Ohne die Medienmacht des Boulevardblatts «Sun», das den Fall enorm aufbauschte, hätten die «Fathers 4 Justice» ihren Kampf um Änderungen im britischen Sorgerecht mit mehr oder weniger spaßigen Aktionen weitergeführt.

Dass der im Pub «Ye Olde London» bei etlichen Pints Lager und Ale debattierte «Plan» Lesern als ernste Gefahr für die Blair-Familie präsentiert wurde, machte allerdings so manchen stutzig. Blair steht derzeit unter Feuer, weil seine Erziehungsministerin die Einstellung von Pädophilen als Lehrer erlaubt haben soll. Da kam die Mitleid erregende Leo-Komplott-Story gerade richtig. Kaum jemand mag einen Entlastungsschlag des Medien-Milliardärs Rupert Murdoch, dem auch die «Sun» gehört, für seinen Freund Blair ausschließen.

Scotland Yard hielt sich bemerkenswert bedeckt und wollte keine Zeile der «Sun»-Berichte bestätigen - allerdings auch nicht dementieren. Der berühmten Polizeitruppe hatten die «Väter für Gerechtigkeit» in den drei Jahren seit ihrer Gründung so manche Peinlichkeit beschert.

Begonnen hatte alles im November 2003, als ein geschiedener Vater im Spiderman-Kostüm sechs Tage unter den Augen hilfloser Polizisten auf einem 30 Meter hohen Kran bei der Tower Bridge ausharrte. Mit der Aktion verlangte er - vergeblich - Zugang zu seiner Tochter. Gut ein halbes Jahr später bewarfen «F4J»-Mitglieder den Premierminister während einer Parlamentsdebatte mit Kondomen voller lila gefärbtem Mehl. Wenig später kletterte ein «Super Dad» auf das Riesenrad «London Eye» gegenüber von Westminster.

Die für Scotland Yard peinlichste Aktion erlebte das weltweite TV-Publikum am 13. September 2004. Ein als Batman verkleideter «Scheidungsvater» überwand mit Hilfe eines Leidensgenossen im Robin-Kostüm - von der Polizei unbemerkt - den Eisenzaun des Buckingham-Palastes, kletterte die Fassade des Amtssitzes von Königin Elizabeth II. hoch und hielt sich dort fünf Stunden lang vor laufenden Kameras fest. Die Welt lachte über Scotland Yard. Auch deshalb fragen sich manche, ob der Tipp, den die «Sun» nun zu dem «Entführungskomplott» bekam, nicht gar ein verspäteter Racheakt gewesen sein könnte. (Von Thomas Burmeister, dpa)

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