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Panorama: Großvater findet Nadines Leiche

Angehörige wollen Unschuld des verurteilten Vaters beweisen / Rechtsmediziner sollen den Fall klären

Bad Gandersheim - Der idyllische Blick auf das Harzvorland wird von den Besuchern des Parkplatzes in der Nähe des Dörfchens Ackenhausen am Sonntag nicht wahrgenommen. Auf dem lang gezogenen Rastplatz am Waldrand haben sich Journalisten, Polizisten und Feuerwehrleute versammelt, um einen grausigen Fund in Augenschein zu nehmen: Die Leiche der vor Jahren als Baby gestorbenen Nadine, gefunden von ihrem Großvater. Erst vor drei Wochen hatte das Landgericht Hildesheim die Eltern für den Tod verantwortlich gemacht.

Der Vater wurde zu acht Jahren Haft wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Misshandlung, die Mutter wegen unterlassener Hilfeleistung zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt.

„Wir wollten sie unbedingt finden“, sagte die 30 Jahre alte Mutter, die erst vor wenigen Tagen erneut eine Tochter geboren hat – Nadine mitgerechnet, ihr siebtes Kind. „Wir haben sie hierhergebracht, es ist unsere Tochter“, sagte die erschöpft wirkende Frau, die kaum Regung zeigte. Bereits am Samstag hatten die zwei Helfer ihres Schwiegervaters die Leiche entdeckt. Sie hatten den schweren Waldboden gemeinsam mit dem 58-Jährigen seit drei Wochen umgegraben. Auch die Polizei hatte seinerzeit dort gesucht. Die Beamten glaubten jedoch nicht daran, dass das Kind in dem dicht mit Brombeerbüschen und Bäumen bewachsenen Boden vergraben sein könnte.

Bereits in ihrer ersten Vernehmung Anfang November 2006 hatten die Eltern ausgesagt, dass sie ihre Tochter in dem Waldstück vergraben hätten. Allerdings ist Nadine nach ihrer Schilderung im Januar 2003 nicht an den Folgen von Misshandlungen, sondern nach einem Sturz aus dem Hochbett gestorben. Aus Angst vor dem Jugendamt hätten sie den Tod ihrer Tochter über Jahre hinweg vertuscht. Erst durch eine bevorstehende Schuluntersuchung war der Druck offenbar so groß geworden, dass sich die Mutter einer Freundin anvertraute, die schließlich zur Polizei ging. Der Fall sorgte für Aufsehen, weil die Eltern nach dem Tod des Kindes ein weiteres Kind bekamen, dem sie ebenfalls den NamenNadine gaben. Die im November 2003 zur Welt gekommene gemeinsame Tochter wurde dem Standesamt nicht gemeldet. Zur Schuleingangsuntersuchung im Oktober 2006 erschien die Mutter mit dem Mädchen und behauptete, es sei kleinwüchsig.

Der Großvater ist auf Polizei und Justiz nicht gut zu sprechen. An seinem Auto kleben gelbe Schilder: „Fehlurteil – es war ein Unfall.“ Auf einem anderen steht, dass die Justiz Nadine nicht finden wollte. Sein Sohn sei unschuldig verurteilt worden, betont er immer wieder.

„Der Fund ändert zum jetzigen Zeitpunkt nichts am Stand der Untersuchungen“, sagte Polizeisprecher Sven-Marco Claus. Monatelang hatte die Mordkommission der Gifhorner Polizei ermittelt. Unter anderem ist sie zu dem Schluss gekommen, dass Nadine vermutlich aus einem Seitensprung stammt und deshalb das „Aschenputtel“ der Familie gewesen sei. „Der Prozess muss wieder aufgerollt werden“, forderte der Verteidiger des 32-Jährigen. An einem der zahlreichen in den Waldboden gegrabenen Löcher markieren rosa Blumen das Grab von Nadine. Auf einem Stück Pappe ist ihr Geburtstag mit dem 2. Oktober 2000 angegeben, ihr Todestag mit dem 15. Januar 2003. „Es ist eine Erleichterung, dass wir sie gefunden haben. Nun können wir eine ordentliche Beerdigung machen“, sagte der Großvater. Doch bis dahin wird es noch dauern.

Jetzt sollen erst einmal die Gerichtsmediziner klären, ob das Mädchen 2003 nach einem Sturz aus dem Hochbett oder bereits früher an Misshandlungen gestorben ist. Ob sich diese noch nachweisen lassen, ist allerdings unklar. Denn allein schon die Identifizierung der Leiche stellt die Pathologen nach so vielen Jahren vor eine schwierige Aufgabe. dpa/AP

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