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Panorama: Guter Rutsch

Früher gab es Ski und Schlitten. Heute werden für den Wintersport immer neue Spaßmobile erfunden

Das waren Zeiten, als man sich noch mit Skigymnastik auf die Wintersportsaison vorbereitete. Heute muss man eher einen Englischkurs belegen: Flizz, Airboard, Snowscoot, Twintip, Skwal – so heißen die neuen Sportgeräte der Saison, die dieses Jahr bei Wintersportlern unter dem Weihnachtsbaum liegen. Um damit Spaß zu haben, braucht man nicht extra eine Skischule zu besuchen, versprechen die Hersteller. Und auch schmerzhafte Bodenberührungen, wie sie Anfänger etwa beim Snowboarden verkraften müssen, sollen meist ausbleiben. Das Fahren lernt mancher schneller, als den Namen des neuen Sportgeräts auszusprechen. „Man muss den Leuten einfach immer was Neues bieten, damit sie Spaß im Schnee haben“, weiß auch Franz Patscheider.

Der 45-Jährige gehört zu den Entrepreneurs der europäischen Wintersportbranche. Wenn in irgendeiner Garage in einem Schweizer Dörfchen wieder irgendwas Neues geschliffen und gehobelt wird – Franz Patscheider holt es in den Schnee. Mit seiner Spürnase für abenteuerliche Neuerungen hat Patscheider bereits den Branchen-Preis für „touristische Innovationen im Bereich Sportgeschäfte“ bekommen. Wer all die rutschenden Spaßmobile ausprobieren will, kann das in seinem „Take Off“-Center im Skigebiet Serfaus in Tirol tun: Raus an der Mittelstation, rein ins trendige Vergnügen.

Zum Beispiel auf dem Snowbike – der Mutter aller Wintersportmobile. Engelbert Brenter aus Oberndorf in Österreich hatte das Ursprungsmodell „Sitzski“ 1949 erfunden. In den 60er und 70er Jahren wurde das Schneefahrrad dann als Skibob bekannt: gebogenes Holz, aufgeschraubte Kanten. Heute wiegt das High-Tech-Gerät mit Federung und patentierten Faltmechanismen aus Aluminium und Kunststoff gerade noch sieben Kilo. Und ist nicht allein bei der jungen, hippen Klientel beliebt: „Gerade ältere Leute, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr Skilaufen können, holen sich ein Snowbike“, sagt Franz Patscheider. Auch den Skifox, eine abgespeckte Bob-Variante ohne Lenker, wird man künftig öfter in Gondel und Sessellift sehen. Auf dem Pisten-Melkschemel wiegt man sich wie beim Motorradfahren nach links, nach rechts und hält mit Gleitern unter den Füßen die Balance – so lassen sich Carvingkurven in den Schnee fräsen.

Zuletzt mussten sich auch die Teilnehmer der

Camel-Trophy auf

solchen Funmobilen

beweisen.

Auch auf den Rodelbahnen kommt einiges in Bewegung: Airboard heißt der neue Schlitten – auf den man sich aber nicht ohne Einweisung legen sollte. Entwickelt hat das gut 100 Stundenkilometer schnelle Luftkissen der 43-jährige Schweizer Joe Steiner. Sein Luftschlitten besteht aus kälteresistentem Kunststoff, dem auch Stock und Stein nichts ausmachen. In Serfaus stürzen sich Airboard-Piloten am 8. Januar 2005 beim „Speed- race“ die Piste hinunter. Anders als kleinere Spaßmobile „kann das Airboard aber gefährlich werden“, warnt Trendsport-Fachmann Franz Patscheider aus Serfaus. Wie auch die superschnellen Tube-Reifen. Mit Luftkissen hat man in seinem Ort Erfahrung: Unter dem autofreien Dörfchen verkehrt die kleinste, durch Luftdruck betriebene U-Bahn der Welt zur Talstation.

Ob im Trendsportmekka Serfaus oder in anderen Wintersportgebieten: Überall sind zwischen den Skifahrern Leute mit kuriosem Gerät zu sehen. Dabei gehören die „Big Foot“-Kurzski aus den 90er Jahren schon zu den Oldtimern. Heute muss es eine Nummer abenteuerlicher sein: Snowkiter lassen sich auf ihren Snowboards von Lenkdrachen in die Luft katapultieren. Skwal-Fahrer carven auf einer neuen Kombination aus Snowboard und Monoski. Snowkarts mit Notbremse und Formel-Eins-Verkleidung flitzen wie Gokarts ins Tal. Der Snowsnaker wird durch entgegengesetzte Bewegungen auf der Piste gesteuert. Die neuen Freeride-Carvingski verleiten manche Extremsportler zu halsbrecherischen Ausflügen ins Gelände. Sie ermöglichen das Schweben durch den Tiefschnee beim Variantenfahren abseits der Piste. So mancher Trend feiert da auch ein Revival: Wie das Telemarking – der Abfahrtsstil, bei dem man in der Kurve auf einem Bein elegant in die Knie geht: Am 18. und 19. Januar lädt das Skigebiet Oberjoch zu einem Fis-Telemark-Skiweltcup. Womöglich lässt da der eine oder andere Zuschauer seinen beidseitig aufgebogenen Twintip-Ski oder das Schnee-Kickboard names Snowscoot stehen und rutscht wie in alten Zeiten rücklings zu Tal – auf einer blauen Plastikmülltüte. Das funktioniert nämlich auch.

Annette Kögel

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