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Eine Denkerstirn - von hinten

© picture alliance / dpa

Haarausfall: Ein Glatzkopf muss selbst für seine Perücke zahlen

Eine Glatze ist keine Krankheit, urteilt das Bundessozialgericht - jedenfalls nicht bei älteren Männern. Kassen müssen deshalb für den Haarersatz nicht aufkommen. Frauen sind dagegen besser dran.

Ältere Männer mit Glatze haben keinen Anspruch darauf, dass die Krankenkasse ihnen eine Perücke zahlt. Das Bundessozialgericht in Kassel wies am Mittwoch die Klage eines über 76-jährigen Mannes zurück, der seit Jahrzehnten unter Ganzkörper-Haarausfall (Alopecia areata universalis) und Pigmentstörungen (Weißfleckenkrankheit) leidet. Viele Jahre hatten ihm die Kassen seine Perücke finanziert, dann war plötzlich Schluss. Dennoch wollte er die Kosten für eine 820 Euro teure Kunsthaarperücke erstattet bekommen.

Perücken seien zwar „Hilfsmittel“ wie Prothesen oder Hörgeräte, die zum Leistungskatalog der Kassen gehörten. „Der alleinige Verlust des Kopfhaares bei einem Mann ist jedoch nicht als Krankheit zu werten, weil er weder die Körperfunktionen beeinträchtigt noch entstellend wirkt“, teilte das Gericht mit. Nach Ansicht der Richter ist Haarverlust bei Männern biologisches Schicksal. Sie würden deshalb aber nicht angestarrt oder stigmatisiert. Wie belastend sie selbst ihre Glatze empfänden, sei unerheblich. Die Kassen könnten dennoch in Fällen herangezogen werden, in denen Betroffene unter Komplett-Ausfall einschließlich Brauen, Bart und Wimpern litten. Dies ginge „über den typischen männlichen Haarverlust hinaus“ und könne insbesondere bei Jüngeren unerwünschte Aufmerksamkeit erregen. Dann könne eine „auffallende, entstellende Wirkung“ vorliegen, mit anderen Worten: Die Glatze wäre nicht gesund, sondern krank. Die Glatze des Klägers sei aber nicht auffällig, zumal er schon in fortgeschrittenem Alter sei.

Der Mann hatte damit argumentiert, er könne nicht ständig einen Hut aufsetzen und auch auf psychische Probleme verwiesen. So könne er sein eigenes Spiegelbild nicht ertragen und sei bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt. Gutachter attestierten ihm eine „totale Glatze ohne Narbenbildung“. Dennoch fiel er bei den Gerichten damit durch. Sein Hebel in letzter Instanz vor dem Bundessozialgericht war nun der Gleichheitssatz des Grundgesetzes – denn Frauen können bei Haarverlust eine Perücke auf Kosten der Kasse beanspruchen. Eine Frau ohne Haare „zieht die Blicke anderer auf sich“, begründeten die Richter den Unterschied. Dieser von der Norm abweichende Umstand sei, wenn er entstellend wirke, allerdings krankheitswertig.

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