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Sollte so eine Waffe künftig bei gewaltgefährdeten türkischen Frauen unter dem Kopfkissen liegen? Der Frauenrechtler Hayrettin Bulan sagt: "Ja".

© picture alliance / dpa

Häusliche Gewalt: Waffen für Ehefrauen in der Türkei

Ein Wohlfahrtsverband in der Türkei fordert die Bewaffnung von Ehefrauen, damit sie ihre Männer in Notwehr erschießen können. Laut einem Internetportal wurden 2011 252 Frauen in der Türkei umgebracht.

Als die 33-jährige Tülin Kaplan aus Ankara die Scheidung einreichte, weil sie von ihrem Mann Yasar ständig verprügelt wurde, war auch den Behörden klar, dass sie in Gefahr war. Tülin Kaplan erhielt Polizeischutz – aber nur bis Mitte Februar. Keine zwei Wochen später tauchte Yasar Kaplan in der Wohnung seiner Ex-Frau auf und forderte sie auf, zu ihm zurückzukehren. Als sie sich weigerte, erschoss er sie mit einem Gewehr.

Wenn es nach dem Frauenrechtler Hayrettin Bulan ginge, hätte Tülin Kaplan eine Chance gehabt, sich vor ihrem Ex-Mann zu schützen: mit einer eigenen Pistole. Zum internationalen Frauentag sorgt Bulan mit einem Aufruf zur Bewaffnung gewaltgefährdeter Frauen für Aufregung. In der Türkei wurden nach einer Zählung des Internetportals Bianet im vergangenen Jahr 252 Frauen von ihren Männern, Verlobten, Geliebten oder von männlichen Verwandten umgebracht. Das sind fast fünf Morde pro Woche und 35 Opfer mehr als 2010. Seit Beginn des neuen Jahres zählte Bianet bereits 36 Opfer.

Hayrettin Bulan will das ändern. Der Vorsitzende des Wohlfahrtsverbandes Sefkat-Der, der sich um gefährdete Frauen, aber auch um Obdachlose und Drogenabhängige kümmert, hat mit seinem radikalen Vorschlag für Schlagzeilen gesorgt. Bulan rät den nach seiner Schätzung bis zu 10 000 akut gefährdeten Frauen in Notsituationen zur aktiven Selbstverteidigung, nötigenfalls mit Pistole und finalem Rettungsschuss.

Bulans Verband empfiehlt Frauen die Teilnahme an Judo- oder Karatekursen. Sie sollten sportliche Schuhe tragen und stets Reizgas mit sich führen, um im Falle eines Falles ihrem Mann entkommen zu können. Wenn keine Vorsichtsmaßnahme hilft, „dann ist die Ausbildung an der Waffe sehr wichtig“, rät der Verband. Idealerweise sollten junge Frauen schon vor ihrer Hochzeit das Schießen lernen, um in der Ehe auf alles vorbereitet zu sein. Bisher haben sich laut Bulan rund 3500 Frauen bei Sefkat-Der gemeldet, um sich nach Schießkursen zu erkundigen. In Talkshows im türkischen Fernsehen wird ihm dagegen vorgeworfen, Männer und Frauen aufeinander zu hetzen und noch mehr häusliche Gewalt zu provozieren. Schon jetzt sind Millionen illegale Waffen in der Türkei im Umlauf. Der Aufruf zur Bewaffnung sei keine Lösung, kritisierte Frauenministerin Fatma Sahin.

Dennoch ist Bulan mit der Wirkung des Aufrufs zufrieden: „Wir hatten drei Ziele“, sagte er: „Wir wollten festhalten, dass der Staat seiner Aufgabe, die Frauen zu schützen, nicht nachkommt. Wir wollten den gewalttätigen Männern ein wenig Angst einjagen und ihnen sagen: ‚Beim nächsten Mal könntest du selbst dran sein.‘ Und wir wollten den Frauen sagen, dass sie nicht schutzlos sind.“

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