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Haftbeschwerde: Jörg Kachelmann ist frei

Der TV-Wetterexperte Jörg Kachelmann ist nach mehr als vier Monaten Untersuchungshaft frei. Da kein dringender Tatverdacht mehr bestehe, ordnete das Oberlandesgericht Karlsruhe die "umgehende Freilassung" Kachelmanns an.

Der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe entschied, dass im derzeitigen Stadium des Verfahrens kein dringender Tatverdacht mehr bestehe. Daher sei auch die Fluchtgefahr als Grund für die Untersuchungshaft nicht länger maßgeblich. Bei dem mutmaßlichen Vergewaltigungsopfer könne man nicht ausschließen, dass die Frau Kachelmann falsch belasten wollte. Im Blitzlichtgewitter vieler Fotografen und Kameraleute trat Kachelmann am Nachmittag zusammen mit seinem Anwalt Reinhard Birkenstock vor das Gefängnistor.

Kachelmann muss sich dennoch wegen Vergewaltigung einer Ex-Freundin vor dem Mannheimer Landgericht verantworten. Der Termin für den Prozessbeginn ist nach der Freilassung wieder offen. Ob die Hauptverhandlung gegen Kachelmann - wie bisher geplant - am 6. September beginnt, sei aufgrund der veränderten Sachlage derzeit ungewiss, teilte das Landgericht in Mannheim mit. Der Grund: Sitzt ein Angeklagter in Untersuchungshaft, muss möglichst schnell verhandelt werden. Nach der Freilassung Kachelmanns gelten nicht mehr so strenge zeitliche Vorgaben. Nach Ansicht eines Strafrechtlers ist die Aufhebung des Haftbefehls ein "sehr deutliches Signal" zugunsten des Fernsehmoderators.

Gericht: Falschbelastungsmotive nicht auszuschließen

Kachelmann saß seit dem 20. März in Untersuchungshaft, weil er seine frühere Freundin vergewaltigt haben soll. Da sein mutmaßliches Opfer die einzige Belastungszeugin sei, stehe Aussage gegen Aussage, teilte das Oberlandesgericht mit. Bei der Ex-Freundin des Schweizers könnten außerdem "Bestrafungs- und Falschbelastungsmotive" nicht ausgeschlossen werden.

Die Frau habe bei der Anzeige und im Ermittlungsverfahren zur Vorgeschichte und den Umständen der Vergewaltigung zunächst falsche Angaben gemacht, hieß es vom OLG. "Hinsichtlich der Verletzungen der Nebenklägerin könne derzeit aufgrund der bisher durchgeführten Untersuchungen und Begutachtungen neben einer Fremdbeibringung auch eine Selbstbeibringung nicht ausgeschlossen werden", teilte das Oberlandesgericht mit.

Kachelmann gab selbst keine Erklärung ab

Kachelmann, der die JVA Mannheim frisch rasiert verließ, äußerte sich nicht selbst zu seiner Freilassung. Er hatte die Vorwürfe gegen ihn von Anfang an zurückgewiesen. Sein Strafverteidiger sagte: "Die Unschuldsvermutung ist wieder auferstanden." Die Freilassung sei eine Genugtuung. "Der Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat einem Justizskandal Grenzen gesetzt", sagte Birkenstock. Er werde jetzt mit seinem Mandanten konzentriert die Hauptverhandlung vorbereiten, der sie zuversichtlich entgegensähen.

Das Mannheimer Landgericht stellte in einem Schreiben klar: Die Entscheidung des OLG habe keinerlei Einfluss auf die Entscheidung des Landgerichts über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Durchführung der Hauptverhandlung. Lediglich über den Zeitpunkt des Verfahrensbeginns müsse neu beraten werden.

Ob die Entscheidung des OLG dennoch Auswirkungen auf das Hauptverfahren haben wird, bleibt abzuwarten. "Das Oberlandesgericht sieht die höchste Verdachtsstufe nicht mehr, was jedenfalls ein Hinweis auf die Unschuld oder zumindest die Nichterweisbarkeit der Vorwürfe gegen Kachelmann ist", sagte der Berliner Strafrechtsanwalt Ulrich Wehner.

OLG-Entscheidung könnte "faktisch ein Signal" sein

Entscheidungen des Oberlandesgerichts hätten immer eine gewisse Tragweite, daher würden Strafverteidiger auch erst dann Haftbeschwerde einlegen, wenn sie sich relativ sicher sind, dass das OLG zugunsten ihres Mandanten entscheide. Die Richter am Landgericht seien nicht an die OLG-Entscheidung gebunden, betonte auch Wehner. Und trotzdem könne die Beurteilung durch das Oberlandesgericht "faktisch ein Signal" sein.

Die Ermittler werfen Kachelmann vor, Anfang Februar seine langjährige Geliebte, die sich von ihm trennen wollte, in deren Wohnung in Schwetzingen vergewaltigt und mit einem Küchenmesser am Hals verletzt zu haben. Kachelmann war im März auf dem Rückweg von den Olympischen Spielen in Vancouver auf dem Frankfurter Flughafen verhaftet worden. Die Staatsanwaltschaft hatte Mitte Mai Anklage wegen des Verdachts der Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall und gefährlicher Körperverletzung erhoben. Bei einer Verurteilung drohen Kachelmann bis zu 15 Jahre Haft. (dpa)

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