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Haiti: Die ersten Helfer kehren zurück

Ende der Suchaktionen: Mehr als 100.000 Tote hat die Regierung gezählt. Nun muss der Aufbau beginnen. Von Normalität wird noch lange nicht zu sprechen sein.

Elf Tage nach dem verheerenden Erdbeben hat die Regierung in Haiti die Phase der Such- und Rettungsarbeiten für beendet erklärt. Seit dem Beben am 12. Januar seien 132 Menschen lebend aus den Trümmern geborgen worden, teilten die Vereinten Nationen in Genf mit. Noch am Freitag waren eine 84-jährige Frau und ein 22 Jahre alter Mann gerettet worden. Laut haitianischem Innenministerium wurden bislang 111.499 Leichen und mehr als 193.000 Verletzte gezählt.

Derweil kehren die ersten Helfer in ihre Länder zurück. Am morgen landeten 31 deutsche Katastrophen-Helfer auf dem Frankfurter Flughafen. Die Rettungsspezialisten verschiedener Feuerwehren und Hilfsorganisationen hatten im Erdbebengebiet mit Hunden und Sonden nach Verschütteten gesucht.

"Wir konnten aber leider keine Überlebenden mehr orten", sagte Einsatzleiterin Daniela Lesmeister. Ärzte und Sanitäter des Teams hätten jedoch unter schwierigsten Umständen rund 700 Verletzte behandelt. Unter anderem seien viele Amputationen nötig gewesen. Die deutschen Helfer hatten auf Haiti unter dem Schutz bewaffneter Blauhelme gearbeitet. Der Einsatz war von der deutschen Sektion der Hilfsorganisation I.S.A.R. ausgegangen, die auf Suche und Rettung verschütteter Menschen spezialisiert ist.

Zugleich mehrten sich die Anzeichen, dass inmitten des immer noch herrschenden Chaos' das wirtschaftliche Leben langsam wieder in Gang kommt. Nachdem am Freitag erste Lebensmittelgeschäfte öffneten, sollen am Samstag die Banken folgen. Von Normalisierung ist in dem Staat noch lange keine Rede. Hunderttausende Menschen sind immer noch ohne Obdach, es mangelt an Essen und sauberem Wasser und auch die internationalen Hilfsmaßnahmen gestalteten sich weiter äußerst schwierig.

Hilfsorganisationen schätzten, dass ein Drittel der neun Millionen Haitianer dringend und auch für längere Zeit Unterstützung benötigen dürfte. "Wir können das hier 24 Stunden am Tag die nächsten sechs Monate tun - und es würde trotzdem nicht reichen", sagte ein US-Soldat, der Lebensmittelrationen an Bedürftige verteilte.

Mehr als 20 Länder im kanadischen Montreal am Sonntag und Montag diskutieren, wie die Hilfe für den Karibikstaat koordiniert werden kann. Zu der Krisenkonferenz reist US-Außenministerin Hillary Clinton an, auch ihr französischer Kollege Bernard Kouchner will kommen. Um eine Konferenz der Geberländer, die möglicherweise im März stattfinden soll, vorzubereiten, werden auch Vertreter der Vereinten Nationen, der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) sowie von 21 weiteren Staaten erwartet. Boykottiert wird das Treffen in Montreal von den Staatschefs aus Venezuela, Bolivien und Nicaragua, die den USA zu starke militärische Präsenz in dem Karibikstaat vorwerfen.

Die Bundesregierung stockte ihre Hilfe für Haiti weiter auf. Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) sagte der Zeitung Welt am Sonntag, sein Ministerium werde weitere fünf Millionen Euro bereitstellen. Insgesamt erhöht die Bundesregierung damit die bilaterale Hilfe auf 15 Millionen Euro. Darüber hinaus ist die Regierung an den EU-Hilfen aus Brüssel mit rund 66 Millionen Euro beteiligt und unterstützt zusätzlich das von der Weltbank angekündigte Engagement in Höhe von insgesamt 100 Millionen US-Dollar (70 Millionen Euro).

Sorge um Adoption von Kindern aus Haiti

Unterdessen empfing die französische Präsidentengattin Carla Bruni-Sarkozy 33 Kinder aus Haiti, die von französischen Eltern adoptiert worden waren. Das UN-Kinderhilfswerks Unicef warnte jedoch dringend vor den zwar gut gemeinten, aber für die Kinder äußerst zweifelhaften Auslandsadoptionen.

"Selbst legale Adoptionen sind in aller Regel keine Hilfe", betonte Unicef in New York. "Alle Hilfsorganisationen sind sich einig, dass man die Kinder in ihrer Umgebung lassen soll. Helft ihnen, aber tut es da, wo sie sind", sagte ein Mitarbeiter im UN-Hauptquartier. "Es ist verständlich und ja auch gut, dass viele den Menschen helfen wollen und gerade den Kindern. Doch wenn man sie aus ihrem Umfeld reißt, wie hart dieses auch sein mag, hilft man ihnen nicht."

Unicef lägen Meldungen vor, dass in den vergangenen Tagen mehrere Flüge mit Kindern das Erdbebengebiet verlassen haben. Ziele seien Europa und die USA gewesen. Auch seien 15 Kinder aus Krankenhäusern "verschwunden". Bei Familienmitgliedern seien sie nicht, sagte Sprecher Jean Luc Legrand in Genf. Er hatte vor einer Lockerung der Adoptionsregeln gewarnt; Menschenhändler würden die Lage nach Naturkatastrophen oft für ihre Zwecke ausnutzen.

Der Sprecher von Unicef Deutschland, Rudi Tarneden, wies außerdem darauf hin, dass viele der sogenannten Waisenkinder gar keine Vollwaisen sind. In den UN-Statistiken, in denen von bis zu 350.000 Waisenkindern schon vor dem Beben die Rede ist, würden alle Kinder gezählt, die ein Elternteil verloren hätten, aber damit keineswegs Vollwaisen seien. Unicef hat in Haiti starke Kontrollen an Grenzen und an Flughäfen angeregt, um die Papiere ausreisender Kinder zu prüfen. Inzwischen wurde eine Hotline für Eltern eingerichtet, die ihre Kinder suchen.

Flüchtlinge die nach der Katastrophe versuchen in die USA zu kommen, werden nach Haiti zurückgeschickt. US-Heimatschutzministerin Janet Napolitano sagte am Freitag im spanischen Toledo, Haitianer, die nach der Katastrophe illegal in die USA gekommen seien, würden in ihre zerstörte Heimat abgeschoben. "Haitianer müssen dort sein, um beim Aufbau zu helfen, dies ist keine Gelegenheit für Einwanderung", sagte die US-Ministerin.

Die US-Regierung hatte in dieser Woche allerdings angekündigt, dass Haitianer, die bereits in den USA lebten als das Beben vor zehn Tagen Tod und Zerstörung brachte, auch dann für weitere 18 Monate bleiben könnten, wenn sie ursprünglich illegal eingewandert sind.

Quelle: ZEIT ONLINE, AFP, dpa, Reuters

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