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Panorama: Hamburg: Eltern lassen Kind verhungern

Ein schier unglaublicher Fall von Kindesmisshandlung erschüttert Hamburg: Ein siebenjähriges Mädchen ist von seinen Eltern jahrelang wie eine Gefangene gehalten worden. Das Kind starb am Dienstag an den Folgen von Mangelernährung. Jetzt ermittelt die Mordkommission.

Hamburg (02.03.2005, 17:00 Uhr) - Gegen die 35-jährige Mutter und den 49 Jahre alten Vater erging am Mittwoch Haftbefehl wegen «gemeinschaftlichen Totschlags durch Unterlassen». Nach den Erkenntnissen der Polizei war das bis auf 9,5 Kilogramm abgemagerte Kind in der Hochhauswohnung völlig isoliert von der Außenwelt aufgewachsen. Die Nachbarn hatten offensichtlich nichts von der Existenz des Mädchens gewusst, sagte ein Polizeisprecher. Am Dienstag hatte ein Notarzt nur den Tod des Kindes feststellen können.

Die Mutter hatte am Dienstag die Rettungskräfte alarmiert, nachdem ihre Tochter ins Koma gefallen war. Es erstickte an Erbrochenem, wie das Instituts für Rechtsmedizin am Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf feststellte. Das Kind hatte wahrscheinlich lange Zeit kaum etwas zu essen oder zu trinken bekommen. Die Mordkommission nahm Ermittlungen gegen die Eltern auf, die noch am Dienstag festgenommen wurden.

Das arbeitslose Paar lebte seit Jahren mit der Tochter in dem Hochhaus. Das Jugendamt hatte mit dem Fall nach Angaben eines Behördensprechers bisher nichts zu tun. Allerdings sei die Mutter im vergangenen August der Aufforderung, das Mädchen einzuschulen, nicht nachgekommen, hieß es. Die Schulbehörde habe deswegen ein Bußgeldverfahren wegen Schulpflichtverletzung eingeleitet. Es habe keinen Hinweis gegeben, dass das Kind in Gefahr gewesen sei.

Die Kinderschutz-Expertin Ilse Burfeind rief zu mehr Zivilcourage auf. «Wenn auch nur der geringste Verdacht besteht, dass ein Kind in Gefahr ist, müssen wir uns einmischen», sagte die Leiterin der Hamburger Arbeitsgemeinschaft «Kinder und Jugendschutz». Allein in Pflegefamilien und Heimen in Hamburg lebten rund 1000 Kinder, die von ihren Eltern vernachlässigt oder misshandelt wurden. Die Dunkelziffer sei hoch und Behördenwege oft zu lang. (tso) ()

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