zum Hauptinhalt
Der Kapitän verlässt das Schiff. Der 69-jährige Lee Jun-seok (dritter von rechts) geht mithilfe von Angehörigen der Wasserpolizei von Bord.

© dpa

Update

Havarie der Fähre bei Südkorea: Kapitän der "Sewol": Evakuierungsbefehl aus Sicherheitsgründen später

Alles deutet darauf hin, dass menschliches Versagen die Havarie der Fähre "Sewol" vor Südkorea ausgelöst hat. Jetzt würde der Kapitän festgenommen - er hatte die Steuerung des Schiffs einer unerfahrenen Offizierin überlassen.

Der inhaftierte Kapitän der havarierten südkoreanischen Fähre „Sewol“ hat einen Evakuierungsbefehl nach eigener Darstellung aus Sicherheitsgründen hinausgezögert. Die Strömung sei zum Unglückszeitpunkt sehr stark gewesen, sagte der Kapitän am Samstag nach einer Vorführung vor dem Gericht in Mokpo vor Journalisten. Die Insassen hätten fortgerissen werden können. Zunächst seien noch keine Rettungsboote eingetroffen. Überlebende hatten gesagt, sie seien auf dem sinkenden Schiff aufgefordert worden, sich nicht zu rühren.

Der Kapitän der Unglücksfähre war zuvor verhaftet worden. Gegen Lee Jun-seok werde unter anderem wegen Vernachlässigung seiner Dienstpflicht und Verstoßes gegen Seerecht ermittelt, meldete die Nachrichtenagentur Yonhap am Samstagmorgen (Ortszeit). Der 69-jährige Lee Jun-seok agierte als Urlaubsvertretung des eigentlichen Kapitäns der „Sewol“. Er hatte zum Unglückszeitpunkt nicht nur die Steuerung der Fähre einer wenig erfahrenen Offizierin überlassen, sondern auch als einer der Ersten das sinkende Schiff verlassen. Ihm wird außerdem vorgeworfen, er habe die Passagiere aufgefordert, im Inneren des Schiffes zu bleiben, statt eine rechtzeitige Evakuierung anzuordnen.

Tauchern gelang es am Freitag, in das Innere des Wracks vorzudringen

Nach dem Untergang der Passagierfähre „Sewol“ vor der Küste der Insel am Mittwochmorgen wurden am Freitag immer noch Dutzende Menschen vermisst – in den meisten Fällen Schüler und Lehrer der Danwon High School aus Ansan, einer Satellitenstadt südwestlich von Seoul. Sie hatten sich auf einem Schulausflug zur beliebten Ferieninsel Jeju befunden, als das Unglück passierte. Bislang wurden 28 Leichen geborgen.

Am Freitag gelang es Tauchern erstmals, in das Innere des Wracks vorzudringen. Zwei Taucher hätten es geschafft, eine Tür aufzustemmen und in den Frachtbereich der Fähre zu gelangen, sagte ein Vertreter der Küstenwache. Allerdings wurden diese Taucher ebenso wenig fündig wie ein weiteres Zweier-Team, das in die Kabinen vordrang. Bereits am Freitagvormittag hatten Rettungskräfte Sauerstoff in das Innere der Fähre gepumpt, um das Schiff über Wasser zu halten. Das Wrack war zwischenzeitlich komplett untergegangen.

Die Zuführung von Sauerstoff soll auch möglichen Überlebenden die Atmung erleichtern. Die Hypothese, dass sich eventuell noch Überlebende in einer Luftblase im Inneren des Schiffes befinden könnten, ist die letzte Hoffnung, an die sich die verzweifelten Angehörigen klammern.

Vize-Schulleiter nimmt sich das Leben

Unterdessen wurde der stellvertretende Schulleiter der Danwon High School, der am Mittwochmorgen lebend aus dem Wasser geborgen worden war, am Freitagnachmittag tot aufgefunden. Er hatte sich in der Nähe des Notfallquartiers auf der Insel Jindo erhängt.

Die Unglücksursache ist nach wie vor nicht vollständig geklärt. Nach polizeilichen Vernehmungen der Besatzung und Durchsuchungen der Büros der Reederei Cheonghaejin Marine weist aber alles darauf hin, dass menschliches Versagen die Havarie ausgelöst haben könnte. Es wurde festgestellt, dass zum Unglückszeitpunkt nicht der jetzt festgenommene Kapitän selbst, sondern eine 26-jährige dritte Offizierin mit nur einem Jahr Berufserfahrung die Fähre steuerte. Bekannt wurde auch, dass die „Sewol“ kurz vor dem Unglück die Geschwindigkeit von 17 bis 18 Knoten auf fünf bis sechs Knoten drosselte und um fast 90 Grad abdrehte, als ob sie einem Hindernis ausweichen wollte. Die wahrscheinlichste Theorie lautet, dass durch die abrupte Wende die Ladung des Schiffs verschoben wurde, weshalb die „Sewol“ kippte und schließlich kenterte. An Bord befanden sich 180 Fahrzeuge und mehr als 1100 Tonnen Containerfracht. Inzwischen wurde auch der Vorwurf geäußert, die Fahrzeuge im Laderaum seien nicht ausreichend gesichert gewesen.

Während die Angehörigen der Vermissten auf Neuigkeiten warteten, kochten Emotionen hoch. Die aufgebrachten Familien gaben am Freitagnachmittag eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie beklagten, man habe sie belogen und behauptet, 500 Taucher, 70 Schiffe und 100 Helikopter seien im Einsatz, während sich die tatsächliche Stärke des Rettungspersonals auf etwa 200 belaufe und nur zwei Militärschiffe vor Ort seien.

Die Kritik wurde von Regierungsvertretern scharf zurückgewiesen. Sowohl die südkoreanische Präsidentin Park Geun-hye als auch Ministerpräsident Chung Hong-won kamen nach Jindo, um mit den Angehörigen der Vermissten zu sprechen. Die Präsidentin wurde bei ihrer Ansprache ausgebuht, während der Premierminister mit Wasserflaschen beworfen wurde. (mit dpa/afp)

Zur Startseite