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Havariertes Atomkraftwerk: Plutoniumspuren in Fukushima entdeckt

Im Boden um das Kraftwerk in Fukushima hat der Betreiber Spuren des hochgiftigen Plutoniums gefunden. Dennoch kehren viele Anwohner der Region trotz der Warnungen zurück.

Plutoniumspuren im Boden und das Eingeständnis einer begonnenen Kernschmelze: Die Lage im japanischen Atomkraftwerk Fukushima bleibt brandgefährlich. Die Regierung in Tokio verschärfte die Kritik am AKW-Betreiber Tepco.

Die Situation sei weiterhin sehr ernst und weit von einer Entspannung entfernt, sagte der Chef der internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Yukiya Amano, am Montag in Wien. „Die Radioaktivität in der Umwelt, in Lebensmitteln und im Wasser ist rund um die Anlage in Fukushima und darüber hinaus Grund zur Sorge“, sagte Amano, der nun auf einer Konferenz mit den Regierungen der Welt über Konsequenzen für die Sicherheit aus dem Atomdesaster beraten will.

Derweil schreckte eine Alarmmeldung aus Japan auf: Im Boden um das Kraftwerk in Fukushima steckt hochgiftiges Plutonium. Spuren des schon in kleinsten Dosen gefährlichen Schwermetalls fanden sich an fünf Stellen, wie die Nachrichtenagentur Kyodo meldete. Zuvor hatte die Regierung eingeräumt, dass im Reaktor 2 in den vergangenen zwei Wochen vermutlich eine Kernschmelze eingesetzt hatte.

Man glaube aber, dass der Prozess mittlerweile gestoppt sei, sagte Regierungssprecher Yukio Edano. Was genau in dem Problem-Meiler abläuft, ist immer noch unklar. Wegen der hohen Strahlenbelastung im Wasser an Block 2 verringerten die Helfer zudem die Wassermenge, die zur Kühlung auf den Reaktorblock gesprüht wurde. Deshalb könnte die Temperatur im Innern wieder ansteigen, meldete der TV-Sender NHK.

Die Bodenproben, in denen das Plutonium nachgewiesen wurde, sind dem Kraftwerksbetreiber Tepco zufolge am 21. und 22. März genommen worden - und damit gut eine Woche alt. Die Dosierung sei aber so niedrig, dass sie für den menschlichen Körper nicht gefährlich sei, beteuerte das Unternehmen NHK zufolge.

Die IAEA hat bisher keine Informationen zu Plutoniumspuren im Boden. Auf die Frage, was die Funde der Plutonium-Isotope 238, 239 und 240 bedeuten könnten, sagte der IAEA-Experte Denis Flory: „Die drei erwähnten Isotope sind Plutonium, das im Reaktor entstanden ist.

Das bedeutet, dass es einen Abbau des Brennstoffs gibt. Das ist nichts Neues, dass sagen wir seit Tagen.“ Tepco kündigte an, weitere Bodenproben zu nehmen. Das bisher nachgewiesene Plutonium stamme aus Brennstäben der Anlage, die bei dem Erdbeben am 11. März schwer beschädigt wurde. Aus welchem Block das Material stammt, war zunächst nicht bekannt. Das Unternehmen hatte Bodenproben vom Gelände des AKW von unabhängigen Spezialisten auf das hochgiftige Plutonium untersuchen lassen.

In Fukushima gilt Block 3 als besonders gefährlich, weil es sich bei dessen Brennelementen um Plutonium-Uran-Mischoxide (MOX) handelt. Das radioaktive Plutonium verliert je nach Isotop auch nach Tausenden von Jahren nichts von seiner Gefährlichkeit. Gerät der Stoff in den Körper, kann Krebs entstehen.

Regierungssprecher Edano kritisierte am Montag den Umgang des Betreibers Tepco mit den Messwerten am AKW scharf. Das Vorgehen sei „inakzeptabel“. Das Unternehmen hatte am Wochenende widersprüchlich Angaben zur Höhe der Strahlung gemacht. Das sorgte international für Aufregung. Die japanische Atomaufsichtsbehörde wies den AKW-Betreiber jetzt an, solche Irrtümer in Zukunft zu vermeiden.

Tepco bat inzwischen französische Atomexperten um Hilfe. „Tepco hat sich erstmals an die französische Atomindustrie gewandt, das ist eine gute Nachricht“, sagte Frankreichs Industrieminister Eric Besson dem Sender RTL. Der Atomkonzern Areva werde in Kürze zwei Experten schicken. EDF habe bereits 130 Tonnen Material geschickt, darunter Roboter, die in verstrahlten Gelände eingesetzt werden können. „Es ist schwierig, einen Überblick über die Situation zu bekommen“, sagte Besson. Als erster ausländischer Staatschef will Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nach der Atomkatastrophe Japan besuchen.

Die Lage in der Gefahrenzone um das AKW bietet zunehmend Anlass zur Sorge: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein Umkreis von 20 Kilometern um das Kraftwerk kontaminiert ist, und es gibt derzeit ein großes Risiko (für die Gesundheit)“, sagte Regierungssprecher Edano. Anwohner sollen die Evakuierungszone auf keinen Fall betreten, bevor die Regierung grünes Licht gebe. Doch viele der Flüchtlinge kehren trotz der Warnungen zurück, berichtete der Sender NHK. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte zuvor sogar eine Ausweitung der Evakuierungszone rund um das Atomwrack gefordert.

Unterdessen erschütterten weitere Beben die Katastrophenregion. Am Montagmorgen bebte die Erde nach japanischen Angaben mit einer Stärke von 6,5. Die US-Erdbebenwarte stufte die Stärke des Erdstoßes dagegen auf 5,1 zurück. Kurz danach gab es ein weiteres Nachbeben. Die Region war am 11. März von einem verheerenden Erdbeben der Stärke 9 sowie einem Tsunami schwer zerstört worden. Mehr als 11 000 Menschen starben, über 17 000 Menschen gelten als vermisst. Noch immer hausen 190 000 Menschen in Notunterkünften, wie NHK meldete. (dpa)

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