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Heike Makatsch

© ddp

Heike Makatsch: ''Ich bin jetzt leider intolerant''

Erstens: Ohne Zigarette ist man uncool. Zweitens: Ich werde als Mutter nie "so" sein. Vorstellungen, von denen Heike Makatsch sich schnell verabschiedet hat.

Heike Makatsch, 36, begann ihre Karriere als Viva-Moderatorin. Nach einer Zeit in London lebt sie nun mit Freund und ihrer kleinen Tochter in Berlin. 2006 gewann sie für ihre Rolle als Margarethe Steiff den „Bambi“ und den Bayerischen Fernsehpreis. Ihr Film „Schwesterherz“ läuft gerade im Kino.



Frau Makatsch, Sie sind im Frühjahr Mutter einer kleinen Tochter …

… oh, entschuldigen Sie, wenn sich dieses Gespräch mal nicht um Kinder drehen würde, wäre das schön. Leider habe ich auch nicht für alles Antworten, und dann soll das wieder gleich für eine ganze Generation stehen oder die Welt erklären. Ich will nicht unfreundlich sein, aber darüber, wie man Breichen anrührt …

Erstaunlich! Junge Mütter reden doch andauernd und sehr gerne über ihre Kinder.

Lassen Sie uns lieber über den Weinbergspark reden, in dem wir gerade sitzen.

Würden Sie Ihr Kind, wenn es etwas älter ist, alleine hier spielen lassen? Schließlich ist dieser Park durch Drogen und Dealerei in Verruf geraten.

Natürlich würde ich mein Kind hier spielen lassen. Man findet doch inzwischen eher homöopathische Globuli gegen Zahnbeschwerden als irgendwelche Drogenbestecke in den Büschen. Der Rasen ist immer kippenfrei, und alles ist wunderbar grün. Die Stadt gibt sich richtig Mühe, es entstehen neue Wege. Sicher, ein paar dubiose Gestalten gibt es auch.

Was genau tun Sie im Weinbergspark?

Erst mal betrachte ich ihn fast als meinen Garten, in den ich auch andere Leute einladen kann. Dann lese ich, im Schneidersitz auf einer Decke sitzend, Zeitung. Ich trinke Kaffee aus einem kleinen portugiesischen Coffeeshop und picknicke.

Sie mögen es grün.

Ja, als ich klein war, hatten wir einen großen Garten.

Sie wohnen hier im Kiez. Gehören Sie zu denen, die Hausflure mit ihren Kinderwagen zuparken?

Interessiert Sie das wirklich? Ich habe einen Aufzug und nehme ihn mit hoch. Wir haben so viele Kinder im Haus, jeder hat eins oder zwei, da sind alle sehr tolerant. Man weiß nie: Wessen Kind schreit da eigentlich gerade? Zuerst denkt man immer, es sei das eigene. Doch dann merkt man: Nee, es kommt von links, von rechts und von unten. Mit der Zeit lernt man, dass ein zweijähriges Kind ganz anders schreit als ein Neugeborenes.

Ihr kinderloser Kollege August Diehl, der auch in Prenzlauer Berg wohnt, hat einmal gesagt, er überlege, sich einen Kassettenrecorder mit Babygeschrei ins Fenster zu stellen, damit nicht der Verdacht aufkommt, er sei unfruchtbar.

Oder schwul. Wir sind hier echt das Epizentrum des Kinderkriegens.

Welterklärfrage: Woran liegt das?

In Berlin scheint es so zu sein, dass die verschiedenen Kieze an verschiedene Generationen vergeben sind. Mitte und Prenzlauer Berg gehören halt den Dreißigjährigen, und das ist nun mal die Zeit, in der Leute Kinder kriegen – zumindest, wenn sie einigermaßen erfolgreich in ihrem Job sind. Das wiederum müssen sie, um sich die Mieten hier leisten zu können. Manchmal wirkt es etwas absurd, dass alle gleich alt sind, die hier rumlaufen. Aber es herrscht eine angenehme Balance zwischen nicht zu fertig und nicht so hochglanzpoliert. Es ist eine Gegend, in der man schnell das Gefühl hat, es sei viel möglich. Hier leben Menschen mit Ideen, die das Ganze charmant angemalt haben.

Wie wird die Gegend in 15 Jahren aussehen?

Ich glaube, dass die Leute, die jetzt hier sind, auch hier bleiben. Dann wird Prenzlauer Berg eben der ältere Kiez, während in Wilmersdorf die Alten aussterben und so Platz ist für die Jungen. Schauen Sie mal nach Schöneberg: Das war mal der hippe, junge Kiez, und jetzt sind plötzlich alle über 40.

Sie sind vor zwei Jahren aus London in den Prenzlauer Berg gezogen.

Verglichen mit London ist Berlin natürlich klein und übersichtlich, es hat fast Dorfcharakter. Ich hatte mir gewünscht, dorthin zu ziehen, wo ich einen kleinen Radius haben kann und nicht ständig neue Codes dechiffrieren muss. Ich habe meinen Supermarkt, es gibt Geschäfte, in denen man Röcke und Hosen kaufen kann, die man auch haben will. Man guckt ständig in Gesichter seinesgleichen, es ist wie ein großer Schulausflug oder ein Klassentreffen.

Ihr erstes Drehbuch, das Sie mit Ihrer Freundin, der Journalistin Johanna Adorján, geschrieben haben, handelt zum Teil auch von diesem Prenzlauer- Berg-Syndrom des Nicht-erwachsen-werden-Könnens.

Ja, es fing damit an, dass wir zusammen alles Mögliche gewälzt haben: Beobachtungen, Selbsterlebtes, Gelesenes. Irgendwann haben wir uns gedacht, warum werfen wir nicht alles zusammen und machen etwas daraus, was wir gut finden? So sind wir zusammen nach Spanien gefahren mit dieser Anfangsidee im Kopf: die Konfrontation einer Frau Mitte 30 mit ihrem jüngeren Alter Ego, der Schwester. Zwei Wochen haben wir in einer Finca verbracht, und es floss sehr aus uns raus.

Wie sind Sie beim Schreiben vorgegangen?

Wir haben jeden einzelnen Satz zusammen geschrieben. Während wir nebeneinandersaßen – vor meinem Laptop, denn Johannas war gleich am ersten Tag kaputtgegangen. Das war vermutlich ein Glück, denn Johanna tippt sehr schnell, ich dagegen nur mit sechs Fingern.

„Schwesterherz“ ist nicht unbedingt eine Heldinnengeschichte.

Wir hatten große Freude daran, die Geschichte eskalieren zu lassen und das Ganze unheldenhaft darzustellen. Das für mich dann später zu spielen, war intensiv und anstrengend. Aber es sollte eine Befindlichkeit gezeigt werden, die hoffentlich unter die Haut geht. Also nicht diese tollpatschige, aber sympathische Mittdreißigerin, der die Plastiktüten mit den Einkäufen platzen, bevor sie nach Hause kommt und erkennt, dass der Mann, der ihr immer die Waschmaschine repariert, eigentlich der Mann fürs Leben ist.

Sie wollten keine deutsche Beziehungskomödie.

Mir war es wichtig, dass eine Frau gezeigt wird, die dann doch nicht alles im Griff hat, die am Ende eben nicht „ihre Frau steht“ oder „ihren Weg geht“ – eine Frau, die ernsthaft strauchelt.

Der Freund der Frau, die Sie verkörpern, ist ein Verlierer.

Er hat sich eher in Passivität und Unverbindlichkeit geflüchtet. Uns ging es um die Unverbindlichkeit in Beziehungen, trotz hohen Alters. Mitte 30 ist vielleicht doch ein Alter, in dem man nicht die ganze Zeit Muttis Ratschlag beherzigen muss, dass man sich erst noch mal umgucken soll, bevor man heiratet.

Hat Ihnen Ihre Mutter das geraten?

Wenn eine 18-Jährige denkt, die größte Liebe ihres Lebens getroffen zu haben, kann die Mutter sich ja nur an die Stirn fassen.

Wenn man älter wird, ist das Gefühl des Verliebtseins dann schwächer, stärker oder gleichbleibend?

Es wird anders, würde ich sagen. Es wird weniger verwirrt und weniger unreflektiert, insgesamt wird es weniger hysterisch.

Was ist Ihnen zuletzt im Kino unter die Haut gegangen?

Wenn ich Filme anschaue, muss ich aufpassen, nicht den Moment zu verpassen, an dem ich in eine Geschichte reinfalle. Wenn du weißt, wie Filme gemacht werden, wird sonst die Distanz so groß! Dann sieht man nur noch, was mit jeder Kameraeinstellung, jedem Dialog erreicht werden soll. Ich habe zuletzt „Death Proof“ gesehen. Die erste Hälfte war sehr gut, ich war richtig euphorisch, dann hat er nachgelassen.

Der Moment, wenn man aus dem Kino kommt …

… da überlegt man, ob man selbst das erste Urteil fällt oder dem anderen Raum lässt? Ich versuche immer, mich zu zügeln. Aber nur, bis wir die Treppen runter sind.

Sind Sie für oder gegen Essen im Kino?

Ich trinke nur Cola Light. Und zwar beiße ich den Strohhalm zusammen und sauge ganz langsam, damit nach der Werbung noch was übrig ist.

Untypisch für ein Einzelkind.

Bitte! Ich finde, Familie ist eine tolle Sache. Ich hätte sehr gerne Geschwister gehabt.

Wie sah Ihr Kinderzimmer aus?

Ach, ich war eigentlich, sooft es ging, im Garten. Das war schön. Ansonsten hat mein Vater viel Gitarre gespielt, und meine Freunde und ich haben dazu „Reise nach Jerusalem“ gespielt. Es war sowieso viel Musik im Haus: „Der Cowboy Jim aus Texas / der tags auf seinem Pferd saß / er hatte einen Hut aus Stroh / Yippie Yeah …“ Wir singen aber auch gerne „Wir lagen vor Madagaskar“, am liebsten mehrstimmig.

Ihr Freund ist Gitarrist und Schlagzeuger. Bei Ihnen muss es zu Hause sehr musikalisch zugehen.

Er ist jetzt nicht so der Lagerfeuer-Romantiker, sondern mehr ein Tüftler. Er baut gerade ein Schlagzeug in der Wohnung auf – aber eines mit elektronisch abnehmbaren Fellen. Wenn du draufhaust, macht es leise „pck“, aber über Kopfhörer hörst du laut „disch“ und „dusch“.

Kommen auch andere Musiker zu Besuch?

Mir persönlich sind es noch viel zu wenige.

Sie sind in eine Montessori-Schule gegangen.

Das war toll. Wir haben den ganzen Tag gespielt, dachten wir. Dabei haben wir trotzdem jede Menge gelernt. Mir gefällt dieses Konzept: Die Älteren bringen den Jüngeren etwas bei. Ich erinnere mich gut daran, dass ich ein Patenkind hatte, dem ich geholfen habe. Hat Spaß gemacht, ich bin immer sehr gerne zur Schule gegangen.

Haben Sie eigentlich eine Mütterclique?

Ich habe Freundinnen, die auch Mütter sind. Wir wohnen alle nicht weit voneinander entfernt. Es ist schon so, dass eine Kluft entsteht zwischen Leuten, die Kinder haben, und Leuten, die keine haben: Wir reden über andere Themen, haben andere Rhythmen, andere Prioritäten. Da ist es gut, wenn man ein paar Leute hat, mit denen man vorbehaltlos über so was reden kann, ohne dass man das Gefühl hat, sein Gegenüber denkt: O Mann, sie hat immer gesagt, sie würde nicht „so“ werden. Ich habe nämlich immer gesagt, dass ich nicht „so“ werde. Das habe ich nur leider falsch eingeschätzt. Ich weiß jetzt, dass es nicht anders geht, als „so“ zu werden.

Viele Frauen, die keine Kinder wollen, begründen das mit dem Verlust ihrer Freiheit.

Das mit dem Verlust der Freiheit ist insofern kein Quatsch, als dass du dich ausrichten musst nach einem von dir abhängigen, kleinen Lebewesen. Das bedeutet, dass man nicht nur das machen kann, was man will. Mich stört das gar nicht.

Die Figur, die Sie in „Schwesterherz“ spielen, wird schwanger und will kein Baby. Können Sie das nachvollziehen?

Ja, natürlich. Aber was heißt „will kein Baby“? In ihr entfremdetes Leben passt das nicht. Sie befindet sich in einer Situation, in der sie ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr richtig erkennt und gegen sie lebt. Sie ist eine Frau, die keine Ahnung hat, was nach dem Jugendlichsein kommen könnte.

Woran merken Sie, dass Sie kein Twen mehr sind?

Ich werde immer mehr Freund davon, für mich selber und meine Handlungen Verantwortung zu übernehmen, jedenfalls in dem Radius, in dem ich agieren kann. Und es macht mir überhaupt nichts aus, früh ins Bett zu gehen – selbst am Wochenende nicht. Ich wohne direkt neben zwei guten Bars, da ist immer Halligalli. Während ich in meinem Stübchen sitze, tanzen die Leute nebenan auf den Tischen.

Und woran merkt man, dass man sich ausgetobt hat?

Man steht in einem Club rum und weiß nicht mehr, was man da soll. Es gibt keine Infrastruktur der Wildness mehr.

Was soll das denn sein?

Na ja, am ausgeprägtesten hatte ich das während meiner wilden Phase in Düsseldorf, bis Mitte 20. Man ging irgendwohin, und alle waren schon da. Hi, cool, schön, du auch hier! Und schwupp ist es wieder fünf Uhr.

Was ist schlimmer: Schlafentzug nach Babynacht oder Schlafentzug nach Partynacht?

Auf jeden Fall Schlafentzug nach Feierei. Da kommt ja noch der Kater dazu.

Stimmt der Satz: Wenn du Kinder hast, musst du davon ausgehen, die nächsten zehn Jahre einfach nur müde zu sein?

Ich sag mal so: Man steht um halb sechs morgens auf, geht aber nicht abends um 20 Uhr schlafen.

Wie bleibt man als Mutter ansatzweise lässig?

Das ist ein Begriff, der in dem Zusammenhang überhaupt keine Rolle spielt. Wer in diesen Begriffen denkt, ist vielleicht einfach noch nicht so weit. Ich hatte eher Angst, dass ich uncool werde, als ich aufgehört habe zu rauchen. Das hat mir damals viel Sorge bereitet. Ich hatte dauernd ein schlechtes Gewissen und dachte, ich werde irgendwie fahl. Mit dem Rauchen aufgehört zu haben, das ist eine der besten Sachen, die ich je in meinem Leben gemacht habe.

Wie haben Sie das durchgehalten?

Ich habe eine Zeit lang nicht so viele Kneipen besucht. Ich begrüße auch das Rauchverbot in Restaurants und Kneipen. Ich wollte die toleranteste Nichtraucherin der Welt sein, jetzt bin ich leider intolerant geworden. Leute ab einem gewissen Alter, die rauchen … da habe ich Respektprobleme.

Ist es ein Zeichen der charakterlichen Reife, dass Sie nicht in Kategorien von „cool“ und „uncool“ denken?

Vielleicht bin ich auch wirklich uncool geworden, ohne es zu merken. Oder halt, es kann natürlich auch cool sein, wenn einem das egal ist.

Verstehen Sie die jungen Menschen eigentlich noch?

Ich glaube nicht. Bei dem Film „Prinzessinnenbad“ habe ich mich gewundert. Da waren viele Dinge, wo ich dachte: Da war vieles anders früher bei mir. Dieser Zynismus! Ich glaube, man denkt bloß, es sei alles immer gleich.

Sagen Sie jungen Männern auf der Straße, sie sollen sich ihre Hosen hochziehen?

Nein! Ich finde junge Leute süß. Und oft auch gut aussehend. Da spricht jetzt eine sehr alte Frau. Oje, ich möchte ungern wie die Mutter der Nation rüberkommen.

Dieser Job ist ja auch schon an Marie-Luise Marjan vergeben.

Und an Thekla Carola Wied. Ernsthaft: Schluss jetzt mit der Nähkästchen-Plauderstunde.

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