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Helfer in Japan: Karten für die Krisenhelfer

In Oberpfaffenhofen werden Satellitenbilder ausgewertet, damit sich Retter vor Ort orientieren können.

Berlin - Blau, Türkis und Pink – für Stefan Voigt stehen diese vermeintlich fröhlichen Farben für das ganze Ausmaß der Katastrophe in Japan. Der Geograf ist Koordinator des „Zentrums für Satellitengestützte Kriseninformation“ (ZKI) im bayerischen Oberpfaffenhofen. Auf der Grundlage von Satellitendaten erstellen er und seine Mitarbeiter Schadenskarten der japanischen Krisenregionen. Auf den Aufnahmen sind die Folgen des Tsunamis mit einer Auflösung von bis zu 50 Zentimetern deutlich erkennbar: „Die blau gefärbten Areale sind überflutet, die türkisen Flächen zerstört. Gebiete, in denen sich Geröll- und Schlammmassen angesammelt haben, haben wir pink markiert“, erklärt der Wissenschaftler.

Das ZKI, das 2004 als Service des Deutschen Fernerkundungsdatenzentrums (DFD) ins Leben gerufen wurde, ist weltweit eine der wichtigsten Einrichtungen für die Aufbereitung von Informationen aus Satellitendaten in Krisenfällen. Nach dem schweren Erdbeben und dem folgenden Tsunami hat die japanische Weltraumbehörde noch am Morgen des 11. März – dem Tag der Katastrophe – das ZKI um Hilfe gebeten. Seitdem sind die rund 35 Geowissenschaftler, Ingenieure und Informatiker rund um die Uhr im Einsatz, um Japan mit Satellitendaten des Katastrophengebietes zu versorgen.

Den Prozess, der im Krisenfall in Gang gesetzt wird, nennen die Fachleute „Rapid Mapping“. Sobald sie eine Unglücksmeldung – etwa über ein Feuer, ein Erdbeben oder einen Sturm – erreicht, richten die Mitarbeiter des ZKI alle verfügbaren Satelliten auf die betroffenen Gebiete aus. Nebel, Wolken, starke Niederschläge oder Dunkelheit stellen dabei keine Hindernisse dar. Denn zum Einsatz kommen Geräte wie der deutsche Erdbeobachtungssatellit Terra SAR-X. „Der Vorteil von Radardaten ist, dass sie im Gegensatz zu den Daten optischer Satelliten unabhängig von Wetter und Tageslicht sind“, erklärt Voigt. „So können wir die überfluteten und zerstörten Flächen an der japanischen Ostküste jederzeit präzise bestimmen.“

Im nächsten Schritt analysieren die Experten des ZKI die Daten und beantworten verschiedene Fragen, die ihre japanischen Kollegen an sie richten. Auf der Grundlage von Archivdaten erstellen sie etwa Vorher-Nachher-Vergleiche oder bewerten das Ausmaß der Schäden. Der Prozess des „Rapid Mappings“ wird schließlich damit beendet, dass Karten und Informationstexte erstellt werden. Die Materialien werden vom ZKI nicht nur an die unmittelbar betroffenen Nutzer in Japan ausgeliefert, sondern auch im Internet kostenlos bereitgestellt.

Angesichts der immer häufiger werdenden Natur- und Umweltkatastrophen kommt Krisenkartierungen, wie sie das „Zentrum für Satellitengestützte Kriseninformation“ betreibt, eine immer größere Bedeutung zu. „Mit den Satellitendaten können wir die Situation großflächig und objektiv erfassen“, sagt Voigt. „In unseren Karten kann man die Schäden an Straßen, Brücken, Gebäuden und Infrastruktureinrichtungen gut erkennen.“ Dies sind wichtige Informationen – nicht nur für die nationalen Regierungen, sondern auch für die Retter vor Ort. „Die Karten helfen ihnen, sich zu orientieren und ihre Aktivitäten zu koordinieren: Sie wissen, wo ihre Zeltstadt sich befindet, welche Straßen noch befahrbar sind und welche Gebiete besonders betroffen sind“, berichtet der 42-jährige Münchener.

Auch mit Japans Regierung arbeiten die Wissenschaftler vom ZKI eng zusammen. Mit ihren Karten- und Informationsmaterialien tragen die Oberpfaffenhofener Experten vor allem dazu bei, beispielsweise verantwortlichen Ministern einen Überblick über die Lage zu verschaffen. „Wo besteht der größte Handlungsbedarf? Wo müssen die Rettungskräfte zuerst eingreifen? – das sind doch die Fragen, die jetzt beantwortet werden müssen“, so Voigt. Zwar sei Japan in Sachen Krisenmanagement selbst auch gut aufgestellt „Doch angesichts einer solchen Katastrophe sind wir froh, mit unseren Daten einen zusätzlichen Beitrag zur Bewältigung der Situation leisten zu können.“

Kathrin Lohmann

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