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Hessen: Arzt will Regelungen für Patientinnen mit Kopftuch

Ein Runder Tisch soll klären, welche Regeln in einer hessischen Arztpraxis für Musliminnen gelten. Der Arzt hatte sich verärgert über muslimische Patientinnen gezeigt - und sich in seiner Wortwahl "vergaloppiert".

Jetzt sollen sie überarbeitet werden, die Regeln, die der Hausarzt Rainer Peters aus dem hessischen Wächtersbach in der vergangenen Woche für seine Praxis aufgestellt hat. Sie hätten, so heißt es in Wächtersbach, „für Missverständnisse gesorgt“. Dabei war der Aushang in Peters’ Praxis unmissverständlich: Wer ein Kopftuch trägt, wird nicht behandelt, wer kein Deutsch spricht, auch nicht. Dasselbe gilt für „islamistische Familien“, die mehr als fünf leibliche Kinder haben. Der Aushang löste großes Aufsehen und einen beachtlichen Presseandrang vor Ort aus. Der Landesausländerbeirat protestierte, auch der hessische Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) schaltete sich ein und bezeichnete das Verhalten des Mediziners als „unglücklich“.

Nun hat sich Peters entschuldigt und will sich in seiner Wortwahl „vergaloppiert“ haben. Dafür zeigen die Wächtersbacher viel Verständnis. Der Arzt, ein geschätzter Mediziner, seit 16 Jahren in Wächtersbach, sei „übers Ziel hinausgeschossen“. So heißt es in einer Erklärung der Stadt. Und weiter: „In den konkreten Formulierungen hat die Verärgerung über die Vernunft gesiegt.“ Dies soll wohl heißen, dass der Mann im Grunde Recht hat, wenn er „gewisse Spielregeln“ für seine Praxis einfordert.

Diese Spielregeln sollen nun netter formuliert werden, es gibt schon erste Entwürfe. An denen arbeitet jetzt ein Runder Tisch in Wächtersbach, dem neben dem Arzt und Vertretern der Stadt auch jeweils ein Vertreter des Ausländerbeirates und des türkisch-islamischen Kulturvereins angehören. Statt davon zu sprechen, dass „ein striktes Verbot von Kopftüchern bei islamistischen Frauen und Mädchen“ gelte, soll es nun besser heißen: „Muslimische Patientinnen, bei denen es erforderlich ist, auch den Ohr- und Halsbereich zur Diagnose heranzuziehen, bitte ich, ihr Kopftuch so zu handhaben, dass es im Sprechzimmer zügig abgelegt werden kann.“ Zügig. Denn Peters will – das hat er immer wieder betont – einen „reibungslosen Ablauf“. Schließlich hat der Arzt gerade einmal 15 Minuten Sprechzeit pro Patient veranschlagt. Da bringen einen nicht nur fehlende Sprachkenntnisse ins Schleudern. Wenn seine „islamistischen Patientinnen“ kommen und „erst sechs oder sieben Unterhosen ausziehen müssen“, ist die halbe Sprechzeit um. Das klagte der Arzt dem Hessischen Rundfunk.

Doch Serif Degermenci, Sprecher des Türkisch-Islamischen Kulturvereins, will weiterhin den Dialog mit dem Arzt suchen. Auch wenn, das räumt er ein, die muslimischen Frauen „schon extrem sauer“ seien. Ein Einzelfall sei diese Geschichte, beteuert auch der Bürgermeister. Mit Stimmungen in Wächtersbach habe das gar nichts zu tun. „Das Verhältnis zur muslimischen Bevölkerung ist normal.“ Rainer Peters will zu alldem nichts mehr sagen, er ist für eine Stellungnahme nicht zu erreichen: „Der Herr Doktor muss sich jetzt mal um seine Patienten kümmern“, heißt es in der Praxis.

Ob er das weiterhin tun darf, prüfen mittlerweile die Landesärztekammer und die Kassenärztliche Vereinigung. Sie haben Peters aufgefordert, innerhalb der nächsten zwei Wochen eine Stellungnahme zu dem Vorfall abzugeben. „Ein Arzt hat alle Patienten zu behandeln, ohne Ansehen der Person und der Religionszugehörigkeit“, heißt es bei der Kassenärztlichen Vereinigung. Und auch bei der Landesärztekammer zeigt man wenig Verständnis für die Nöte des Kollegen: Die Sonderregeln, so eine Sprecherin, stellten möglicherweise einen Verstoß gegen das Berufsrecht dar.

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