zum Hauptinhalt

Panorama: Hier renoviert die Mafia

Wie sich ein türkischer Richter sein Sommerhaus verschönern ließ – und was ihn das kostet

Ein berüchtigter Ganove lässt das Sommerhaus eines ranghohen Richters renovieren. Ein Spitzenbeamter des Geheimdienstes bittet denselben Richter, das Verfahren gegen den Ganoven in die Länge zu ziehen. Die Polizei hört alle Telefonate ab, lässt den Verbrecher aber trotzdem ins Ausland entkommen. Was sich anhört wie ein schlechter Krimi, beschäftigt in der Türkei Staatsanwalt, Presse und Politik. Der Präsident des obersten Berufungsgerichts in Ankara, Eraslan Özkaya, steht im Zentrum eines Justizskandals, der die Grundfesten des türkischen Staates erschüttert.

Was dunkle Machenschaften ihrer Staatsdiener angeht, sind die Türken einiges gewohnt. Immerhin soll ihr früherer Ministerpräsident Mesut Yilmaz nach dem Willen des Parlamentes wegen Korruptionsvorwürfen vor ein Sondergericht gestellt werden. Anders als die Politiker galten die Spitzenvertreter der Justiz bisher noch als relativ sauber. Der Skandal um Özkaya und den Mafiaboss Alaattin Cakici hat nun aber das Vertrauen in die Justiz gehörig ins Wanken gebracht.

Alles fing damit an, dass Özkaya den Bauunternehmer Hakki Süha Sen mit der Renovierung seines Sommerhauses an der Ägäis beauftragte. Der Unternehmer ist ein Freund des Gangsters Cakici, weshalb die Polizei sein Telefon abhörte – und so von recht merkwürdigen Gesprächen erfuhr. Unter anderem soll der Mafioso seinen Kumpel angewiesen haben, für die Arbeiten an dem Haus des Richters kein Geld zu nehmen. Wenn der Bauunternehmer mit dem Richter sprach, ging es nach Presseberichten nicht um Wände, Putz und Fenster, sondern immer nur um das Verfahren gegen den Mafiaboss, das im Frühjahr vor dem Berufungsgericht lief. Özkaya, als Chef des Berufungsgerichts einer der höchsten Repräsentanten der türkischen Republik, soll sich sogar persönlich mit Kumpanen des Gangsterbosses getroffen haben.

Unterdessen bat ein ebenfalls wegen seiner Nähe zum Gangsterboss ins Gerede gekommener Spitzenmann des türkischen Geheimdienstes MIT den Richter, die Entscheidung im Fall des Mafioso aufzuschieben. Einigen Berichten zufolge stellte der Agent sogar den Kontakt zwischen dem Richter und dem weiteren Freundeskreis des Gangsters her. Wie aus den an die Presse durchgesickerten Abhörprotokollen weiter hervorgeht, fühlte sich Cakici stark genug, um die Staatsvertreter wissen zu lassen, dass er in dem Verfahren vor dem Berufungsgericht höchstens eine sechsmonatige Haftstrafe akzeptieren könne. Der Mafioso hat offenbar so manchen Sympathisanten im Staatsapparat, denn er gehört zu einer Gruppe rechtsextremer Gewalttäter, die von den türkischen Behörden zeitweise zur Liquidierung angeblicher Staatsfeinde eingesetzt wurde.

Umso überraschter waren alle Beteiligten, als das Gericht den Mafiaboss im April trotz der Manipulationsversuche zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilte. „Aber es ist doch so viel Geld geflossen“, entfuhr es der Geliebten des Bauunternehmers, als sie am Telefon von dem Urteil erfuhr. „Sei still, darüber redet man nicht am Telefon“, entgegnete der Unternehmer.

Cakici selbst floh Anfang Mai ins Ausland, um dem Gefängnis zu entgehen. Bis heute ist nicht geklärt, wie ihm das gelingen konnte, obwohl die Polizei seine Telefonkontakte und Bewegungen überwachte. Vor einigen Wochen wurde Cakici in Österreich gefasst und wartet nun auf seine Auslieferung.

In Ankara sieht sich Richter Özkaya unterdessen mit Rücktrittsforderungen und staatsanwaltlichen Ermittlungen konfrontiert. Der Jurist beteuert, er sei Opfer einer Verschwörung, die auf die türkische Justiz insgesamt ziele. So habe er für die Arbeiten an seinem Haus sehr wohl bezahlt – doch die Presse will aus Polizeikreisen erfahren haben, dass der Richter das Geld erst dann überwies, als er wusste, dass seine Telefongespräche abgehört wurden.

An seiner frisch renovierten Villa an der Ägäis hat der Richter bisher jedenfalls nur wenig Freude.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false