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Hillary Clinton

© AFP

Hillary Clinton: Bieder statt Pop

Hillary Clinton lässt im Internet über ihren Wahlkampfsong abstimmen – bei der Youtube-Generation kann sie aber nicht landen.

Nur vordergründig geht es um Musik, um den Hit, der zur unverwechselbaren Erkennungsmelodie der Konkurrenten im US-Präsidentschaftswahlkampf werden soll. Der wahre Kampf dreht sich um junge Wähler. Wer bringt die Generation der iPod- und Youtube-Nutzer hinter sich: Hillary Clinton oder Barack Obama? In dieser Gesellschaftsschicht ist der 45 Jahre junge schwarze Senator aus Illinois, der auf Wahlplakaten auch mal in der Badehose posiert und seinen schlanken Körper zeigt, offenbar unschlagbar.

In der Internetvideobörse www.youtube.com hat der anzügliche Song „I got a crush on Obama“ (Verknallt in Obama), in dem eine kurvige Schönheit in enger Kleidung mit langen schwarzen Haaren sich in Ermangelung realen Körperkontakts mit Barack zärtlich an Obama-Plakate schmiegt, binnen einer Woche 1,8 Millionen Clicks erzielt. Die Hymne auf den „besten aller Kandidaten“ gipfelt in der Einladung: „You can barack me tonight.“ Und das ist noch nicht die offizielle Antwort auf Hillarys Videoclip-Attacke.

„Crush on Obama“ ist angeblich der spontane Einfall eines Fans, Ben Relles. Für eine so unschuldige Erklärung wirkt das rund vier Minuten lange Video, in dem das Model Amber Lee Ettinger das verliebte „Obama Girl“ spielt und Leah Kaufmann singt, aber zu professionell. Obama hat den Song weder autorisiert – das wäre wohl eine Zumutung für Ehefrau Michelle –, noch distanziert er sich.

Im Vergleich wirkt Hillarys Versuch, in diese Domäne einzudringen, altbacken. Ihre Videobotschaft vom Mai, in der sie Youtube-Nutzer bittet, ihr bei der Auswahl ihres Wahlkampfsongs zu helfen, ist zwar voller Selbstironie. Aber im feinen gelben Kostüm verbreitet sie die Aura New Yorker Designerboutiquen, nicht cooler Popkultur. Nach vier Wochen Internetabstimmung siegte das Lied „You and I“ der kanadischen Sängerin Celine Dion, die in Las Vegas eine TV-Show moderiert. Dieser Videoclip bringt es bei Youtube in mehreren Versionen auf einige hunderttausend Aufrufe. Die „New York Times“ spottet, die schlechten Seiten Kanadas und die schlechten Seiten von Las Vegas hätten sich da vereinigt.

Um mehr Aufmerksamkeit zu erzielen, hatte Hillary mit Ehemann Bill sogar die Schlussszene der gerade auslaufenden Mafia-Kultserie „The Sopranos“ in einem schmierigen „Diner“-Lokal nachgespielt, auch diese Szene durchaus witzig: Bill, obgleich viel dünner als der Soprano-Boss, kriegt zu seinem sichtbaren Missvergnügen aus Diätgründen Möhrenrohkost vorgesetzt. Tochter Chelseas Eintreffen künden quietschende Reifen und laute Einparkgeräusche an. Es half wenig. Hillary kann sich noch so bemühen, auf Youtube-Fans wirkt sie nicht authentisch. Ihr Anbiederungsversuch hat ihr Spott- und Hassvideos auf der Internetseite eingetragen. Sie solle „Cold as ice“ als Hymne wählen, ist noch eine der freundlicheren Ratschläge an die als berechnend geltende Politikerin.

Wer auf Youtube nach Videos zu „campaign song president“ sucht, kann sich mit etwas Glück gut unterhalten. Ein Clip legt Vizepräsident Dick Cheney eine gesungene Wahlempfehlung für den Republikaner Rudy Giuliani in den Mund. Amerika brauche einen Italiener als „president“, der seine Gegner einbetoniert „in cement“, reimt es sich da im Mafiaslang.

Das Video-Duell belegt: Dieser Wahlkampf hat sehr früh begonnen, die Bewerber werden die lange Zeit bis November 2008 nicht mit politischen Debatten füllen können. Der Aufbau eines kulturellen Images ist wichtig. Die Youtube-Generation ist freilich nur ein kleiner Ausschnitt der Wählerschaft. Die Hymnenwahl ist seit langem ein Kernelement der Kampagne. Pop und Hollywood stehen im Zweifel auf Seiten der Demokraten, die Republikaner halten es eher mit Countrymusik – mit Ausnahmen. George W. Bush holte sich eine Abfuhr bei Bruce Springsteen. Bill Clinton siegte mit „Don’t stop thinking about tomorrow“ von Fleetwood Mac.

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