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Hochwasser: Wieder Rekordflut an der Elbe

Am Oberlauf der Elbe haben die Deiche gehalten, umso heftiger trifft das Hochwasser nun die Menschen elbabwärts. In Lauenburg in Schleswig-Holstein steigen die Fluten höher als beim Jahrhunderthochwasser von 2002.

Hitzacker/Lauenburg - Die Altstadt von Hitzacker in Niedersachsen versank in schlammigen Fluten. Und die Elbe schwillt hier weiter an. Einen Grund für die heftige Flut sahen manche Experten elbaufwärts. In Sachsen und Sachsen-Anhalt hätten die nach der Katastrophe von 2002 erneuerten Deiche gehalten, so dass der Fluss seine Wassermassen jetzt vollständig weiter mit sich nach Norden führe.

Im Osten Deutschlands ging das Hochwasser zurück. Dort waren die Werte von 2002 nicht erreicht worden. Die Behörden stellen sich aber darauf ein, dass die Fluten nur sehr langsam abfließen und der Druck auf die Deiche bis Ostern anhält.

An der Elbe bei Lauenburg stand das Wasser 9 Meter hoch, 2002 waren es 8,70 Meter. Kritik gab es am Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA), das nicht vor den Gefahren gewarnt hatte. Teile der historischen Altstadt mit bis zu 500 Jahre alten Fachwerkbauten standen unter Wasser. «Es wird wohl weiter in Zentimeterschritten steigen. Wie stark, können wir noch nicht sagen», sagte die WSA- Leiterin Bettina Kalytta.

Die Fachleute seien von dem hohen Wasserstand in Lauenburg überrascht worden. «Diesmal hatten wir im Raum Dresden viel weniger Wasser als 2002, aber bei uns ist mehr angekommen», sagte Kalytta. Ein Grund sei die Schneeschmelze im Erzgebirge, im Riesengebirge und im Thüringer Wald. Außerdem hätten die neuen Deiche im Osten gehalten und die Wassermassen abgeleitet.

Im Landkreis Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern sowie in den niedersächsischen Landkreisen Lüchow-Dannenberg und Lüneburg wurde Katastrophenalarm gegeben. In Dömitz soll der Höhepunkt des Hochwassers am Sonntag erreicht werden. Gerechnet wird mit 6,65 Metern, acht Zentimeter über der Flut von 2002. Auf diese Höhe sind die Deiche Experten zufolge aber eingerichtet.

In Niedersachsen wollte Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) am Nachmittag das besonders betroffene Hitzacker besuchen. Das Land werde 800 000 Sandsäcke aus der «Landessandsackreserve» zur Verfügung stellen, kündigte das Ministerium an. In dem Städtchen sind geplante Hochwasserschutzmaßnahmen wie der Bau einer Schutzmauer und eines Schöpfwerkes sind noch nicht umgesetzt.

In Hitzacker stand der Pegel am Mittag bei 7,48 Meter und damit nur noch zwei Zentimeter unter der Höchstmarke von 2002. «Drei Viertel der Altstadt stehen bereits unter Wasser», sagte Samtgemeindebürgermeister Jochen Langen-Deichmann. Der Höchststand soll am Wochenende bei 7,70 Meter erreicht werden, das wären 20 Zentimeter mehr als 2002. Die Menschen sind seit Tagen dabei, ihre Häuser zu sichern. Da immer wieder der Strom abgestellt wird, wurde eine Notstromversorgung eingerichtet.

Auch im Landkreis Lüneburg kämpften die Menschen gegen die Fluten. Bei Neu Darchau erreichte das Wasser einen Pegelstand von 7,16 Meter. «Es besteht die Gefahr, dass das Hochwasser mindestens zwei Wochen lang anhalten wird und dass dadurch die Deiche durchweichen», sagte Landkreissprecher Ulrich Mentz.

«Große Sorge bereitet uns die Stabilität der Deiche», sagte auch Brandenburgs Umweltminister Dietmar Woidke (SPD). «Täglich mehren sich die Schadstellen.» Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) rechnete aber trotz der angespannten Lage in der Prignitz vorerst nicht mit Evakuierungen. «Unsere Aufgabe ist es, die Deiche zu verteidigen», sagte er bei einem Besuch in Perleberg. «Wir sind zuversichtlich, dass die Lage beherrscht werden kann.» Am Pegel in Wittenberge pendelte sich der Wasserstand bei 7,16 Meter ein. Normal sind hier 3,70 Meter.

Im südbrandenburgischen Mühlberg (Elbe-Elster) sanken die Wasserstände, die Lage blieb aber angespannt. «Es gibt etwa 50 Sickerstellen im Deich, aber sie sind alle unter Kontrolle», sagte Ines Filohn, Sprecherin des Katastrophenstabes. Transporthubschrauber warfen Sandsäcke aus der Luft ab, um die aufgeweichten Deiche nicht unnötig zu befahren. Der Wasserpegel war am Vortag auf ein Maximum von rund 8,50 gestiegen, lag aber damit deutlich unter dem Stand von 2002 mit 9,99 Metern.

Trotz langsam sinkender Wasserstände blieb die Lage auch in Sachsen-Anhalt ernst. Hunderte Helfer waren an den Deichen im Einsatz. In Prettin soll der Katastrophenalarm mindestens bis Sonntag aufrechterhalten werden. Eine Jahrhundertflut sahen Experten in Sachsen-Anhalt nicht. «Jeder Pegel ist statistisch hinterlegt, danach könnte ein Hochwasser wie wir es jetzt erleben alle 20 Jahrenauftreten», sagte der Leiter des Landesbetriebes für Hochwasserschutz Burkhard Henning in Magdeburg.

In den sächsischen Elbe-Regionen entspannt sich die Lage weiter. In Dresden wurde die Elbbrücke «Blaues Wunder» wieder für den Verkehr freigegeben. Vielerorts begannen das Aufräumen. Die Feuerwehr warnte, Keller vorschnell auszupumpen. «Die Bewohner wollen schnellstmöglich den "Normalzustand" wiederherstellen und schreiten teils übereilt zur Aktion», sagte Siegfried Bossack, Chef des Landesfeuerwehrverbandes Sachsen. Es bestehe die Gefahr, dass Grundwasser sonst Gebäude nach oben drückt und die Schäden vergrößert. (tso/dpa)

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