zum Hauptinhalt
Möglicher Rekordhalter: "The Bride" soll 1152 Meter über Basra thronen.

© AMBS Architects

Höchstes Gebäude der Welt: Aus dem Wüstensand in die Wolken

Im irakischen Basra soll der größte Wolkenkratzer entstehen, auch in China geht der Bauboom weiter. Doch oft waren Rekordbauten auch Indikator für baldigen Niedergang.

Jetzt also der Irak. Ein 1152 Meter hoher Wolkenkratzer soll in Basra errichtet werden, einer vom Erdöl dominierten Metropole, die bisher nicht für besonders ausgefallene Architektur berühmt war. Sollte der „The Bride“ (großes Foto) genannte Bau der Superlative sich irgendwann tatsächlich über dem Persischen Golf erheben, würde er nicht nur das derzeit höchste Gebäude der Welt, den Burj Khalifa in Dubai, deutlich überragen, sondern auch den 1007 Meter hohen Kingdom Tower, der gerade im saudischen Dschidda in den Wüstensand gesetzt wird.

Die Stadtoberen haben das britisch-irakische Architekturbüro AMBS beauftragt, das Zentrum der Hafenstadt neu zu gestalten. Insgesamt vier Türme, Gärten, Plätze und gar ein eigenes Bahnsystem sind geplant. Der Baubeginn wurde allerdings noch nicht terminiert – und schon oft sind gewagte architektonische Träume an der finanziellen Realität zerschellt.

Wolkenkratzer sind ein guter Indikator – sowohl für wachsendes Selbstbewusstsein einzelner Staaten als auch für globale Krisen. Acht von zehn der höchsten Gebäude Europas stehen mittlerweile in „Moscow City“, dem Geschäftsviertel der russischen Hauptstadt. Der 374 Meter hohe Glas-und-Stahlpalast „Federazija“ sollte wegen der ab 2008 grassierenden Finanzkrise zwischenzeitlich auf gut 200 Meter eingedampft werden – und konnte erst in seiner geplanten Höhe errichtet werden, nachdem die Krise sich gelegt hatte.

Der Westen strebt dagegen nur noch selten hoch hinaus. Einzig das „One World Trade Center“, mit 541 vierthöchstes Gebäude der Welt, bildet eine symbolträchtige Ausnahme. Demnächst wird ebenfalls in New York der 500 Meter hohe Central Park Tower fertiggestellt – und einen Trend bestätigen. Denn der schlanke Turm soll überwiegend Wohnungen beherbergen. Eine solche Nutzung war auch mal für den Millenium Tower geplant, einen 370 Meter hohen Wolkenkratzer in Frankfurt, der damit zum höchsten Gebäude Deutschlands aufgestiegen wäre. Doch ob er jemals realisiert wird, ist mehr als ungewiss.

Vier Gebäude. Der Komplex beinhaltet sogar ein eigenes Bahnsystem.
Vier Gebäude. Der Komplex beinhaltet sogar ein eigenes Bahnsystem.

© AMBS Architects

Ein weiterer Trend sind Wolkenkratzer aus Holz, statt aus Beton und Stahl. Unter anderem in Wien wird gerade an einem 84 Meter hohen Holzhochhaus geplant. Einzig die Wiener Feuerwehr zeigte sich über die Pläne verstimmt, ist Brandschutz bei einem solchen Projekt doch eine heikle Aufgabe.

Während der Westen vor allem mit neuen Materialien und Nutzformen experimentiert, errichtet neben den Ölmonarchien vor allem China klassische Statussymbole. „Die Wolkenkratzer sind in China ein Symbol der Moderne, der technischen Fähigkeiten und der Urbanisierung. Über 50 Prozent der Bevölkerung lebt in Städten“, erklärt Elena Klorer, Urbanisierungsexpertin am China-Forschungsinstitut Merics. Im Jahr 2030 will China über eine Milliarde Menschen in den Städten unterbringen. Das geht nur in hoch aufragenden Gebäuden.

Der chinesische Höhenjagd zeigt sich in Shanghais Finanzviertel Pudong besonders deutlich, wo auf engstem Raum vier der weltweit höchsten Gebäude in den oft smogverhangenen Himmel ragen. 2007 stieg das Shanghai World Financial Center mit 492 Metern zum höchsten Gebäude des Landes auf. Doch auch der an einen Flaschenöffner erinnernde Wolkenkratzer hält nun noch nicht einmal mehr den Höhenrekord für Pudong. Der 2015 in unmittelbarer Nähe eröffnete Shanghai Tower misst 632 Meter – und ist das zweithöchste Gebäude der Welt.

Einzelnen Provinzen Chinas konkurrieren miteinander

Eigentlich hätten diese Rekorde auch schon wieder Vergangenheit sein sollen. In Changsha, Hauptstadt der Provinz Hunan, wurde 2013 der Bau für ein geradezu wahnwitziges Projekt begonnen. „Sky City“ sollte mit 838 Metern nicht nur das höchste Gebäude der Welt werden, sondern aufgrund einer besonderen Schachtelbauweise in nur 210 Tagen fertig gestellt werden. Immerhin hat die Firma „Broad Sustainable Building“ einen kleineren, 57-geschossigen Wolkenkratzer, in 19 Tagen errichtet. Doch „Sky City“ wurde nichts, es fehlte die Baugenehmigung. „Die Behörden wollten das Projekt nicht freigeben, das Risiko schien ihnen wohl zu groß“, sagt China-Expertin Klorer. Inzwischen haben die Anwohner die Grundmauern geflutet und nutzen den künstlichen See zur Fischzucht.

Kühle Luft. Wie ein Kleid legt sich das Dach über Basra - und sorgt für kühlere Luft darunter.
Kühle Luft. Wie ein Kleid legt sich das Dach über Basra - und sorgt für kühlere Luft darunter.

© AMBS Architects

Nicht nur am Beispiel Changsha wird deutlich, dass auch Chinas westliche Provinzen vermehrt bei der Höhenjagd mitmischen. Die Provinzen stehen untereinander in einem Konkurrenzkampf, der sich offenbar in der Architektur ausdrückt. Die Provinzen wetteifern untereinander um besonders spektakuläre und besonders hohe Gebäude. Im Rahmen des Urbanisierungsprogramms der Regierung stehen noch zahlreiche Projekte an. „Ich gehe nicht davon aus, dass das aufhört“, sagt China-Expertin Elena Klorer, „China wird weiter nach den höchsten Gebäuden der Welt streben.“

Vielleicht ist diese Rekordjagd für China und auch für das irakische Basra aber auch gar kein gutes Omen. Schon seit einem halben Jahrhundert existiert mit dem „Wolkenkratzer-Index“ eine Theorie, die besonders ambitionierte Hochbauten als Indikator für den baldigen Niedergang deutet. Nachdem das Chrysler Building und das Empire State Building in New York erbaut wurden, folgte der Schwarze Donnerstag und die weltweite Krise von 1929. Neben zahlreichen weiteren Beispielen folgte auf die Errichtung der weltberühmten Petronas-Towers die Asienkrise von 1997. Und auch der Burj Khalifa wurde just vor der großen Finanzkrise begonnen, die Ende der Nuller Jahre die Weltwirtschaft lahmlegte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false