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© dpa

Hundstage: Auch ohne Hitzefrei überleben

Temperaturen bis zu 35 Grad: Wohl dem, der eine Klimaanlage im Büro hat. Experten empfehlen, wie man die heißen Tage trotz Arbeit überstehen und auch genießen kann.

Vor zwei Wochen, als die Kollegen mit der ganzen Familie bei Regen an die Ostsee aufgebrochen sind, hat sich noch mancher gesagt: Wie gut, dass ich nicht an die Schulferien gebunden bin – ich fahr’ lieber im Herbst in den Süden. Jetzt dagegen erscheint Ahrenshoop als echte Alternative zum Arbeitsplatz – vor allem um die Mittagszeit. Auch Jörg Feldmann gehört zu denen, die derzeit nicht am Strand liegen können. Er sitzt bei hochsommerlichen Temperaturen am Computer, „allerdings heute nicht mit Krawatte und Jackett, sondern im leichten weißen Oberhemd“. Der Sprecher der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua) hat sein Büro gerade durchgelüftet. Auch sonst hält er sich an die Empfehlungen, die aus seiner Institution für die heißen Tage kommen: „Ich versuche das Ganze etwas ruhiger anzugehen und vor allem viel zu trinken.“

Arbeitsrechtlich bindende Verpflichtungen für die heiße Zeit gibt es kaum. Zwar heißt es in der Arbeitsstättenverordnung aus dem Jahr 2004, die Raumtemperatur solle 26 Grad nicht überschreiten. Doch das ist vor allem eine Grenze für Arbeitsplätze, bei denen ganzjährig vor Ort thermische Reaktionen ablaufen. „Man kann deshalb nicht auf eine Klimaanlage im Büro klagen“, sagt Feldmann. Obwohl „thermale Behaglichkeit“ sich für sitzend Beschäftigte meist bei 20 bis 22 Grad Celsius einstellt, gelten 26 bis 35 Grad Celsius, wenn sie nur zeitweise herrschen, als „Erträglichkeitsbereich“. Zum Thema Klimaanlagen will der Baua-Sprecher bei der Gelegenheit aber gleich eine Empfehlung loswerden: „Wenn es eine solche Anlage gibt, dann sollte die Differenz zur Außentemperatur nicht mehr als sechs Grad Celsius betragen, sonst sackt der Kreislauf ab, sobald man ins Freie kommt und sich bewegen muss.“ Auch Ventilatoren haben im Büro ihre Tücken: Der Kollege im Großraumbüro könnte sich über die Zugluft beschweren.

Eine Folge des Klimawandels könnte sein, dass heißere Sommer Arbeitgeber in Zukunft zwingen, über sommerliche Erleichterungen für ihre Mitarbeiter nachzudenken. Zum Beispiel über eine Modifizierung der Arbeitszeiten: „In vielen Bereichen ist es möglich, die Kernarbeitszeit aufzuheben und schon in den frühen Morgenstunden mit der Arbeit zu beginnen, wenn es noch angenehm kühl ist“, sagt Feldmann. Auch eine Siesta darf kein Tabu sein. Für Mitarbeiter, die während der Arbeit stehen müssen, sollten unbedingt Sitzgelegenheiten für Pausen bereitstehen. Man kann die Kleiderordnung lockern – „solange alles im Stil des Hauses bleibt“, sagt Feldmann. Die Kantine sollte flexibel reagieren und sich auf leichte Salatkreationen verlegen. In den Büros sollten nachts wo immer möglich die Fenster offen sein, „und man sollte verdeckte Wärmequellen wie Lampen oder Drucker ausschalten“.

Auch Hanns-Christian Gunga sitzt nicht im Liegestuhl, sondern in seinem Berliner Arbeitszimmer, „aber glücklicherweise im Schatten“: Der stellvertretende Direktor des Instituts für Physiologie der Charité hat ein Fenster nach Norden. Allen, die es nicht so gut haben, rät er, einen Ventilator aufzustellen. Spätestens, wenn eine mittlere Hauttemperatur von 32 Grad überschritten sei, beginne der Mensch zu schwitzen, auch wenn er ruhig am Schreibtisch sitzt. Eine sehr sinnvolle Reaktion, denn die Verdunstung des Schweißes auf der Haut sorgt für die nötige Abkühlung. „Ein Sportler lässt es gar nicht dazu kommen, dass sein Körper zu warm wird, weil er früher schwitzt. Wer gut trainiert ist, kann deshalb mit Temperaturschwankungen gut umgehen, wozu Untrainierte oft nicht in der Lage sind“, erklärt der Physiologieprofessor. Selbst die Schweißdrüsen der Trainierten sind also besser trainiert.

„Sportler sind auch besser in der Lage, Salzverluste zu vermeiden“, sagt Gunga. Wer sich das ganze Jahr über bei jedem Wetter viel bewegt, wird deshalb auch mit der sommerlichen Hitze besser klarkommen. „Übergewicht ist dagegen von Nachteil, denn eine größere Fettschicht macht die Wärmeabgabe schwieriger.“

Die Empfehlung, jetzt viel zu trinken, ist bekannt. Doch die wenigsten wissen, dass vom Flüssigkeitshaushalt auch die Arbeitsleistung abhängen kann. Das Gehirn wird zuerst durstig: „Schon wenn wir ein Prozent unseres Körpergewichts durch Flüssigkeitsmangel verlieren, ist unsere Denk- und Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt, ab drei Prozent leidet auch die körperliche Leistungsfähigkeit“, sagt Gunga. Weil das Durstgefühl ein eher träger Mechanismus ist, sollte man sich bemühen, das Trinken ganz bewusst in den Büroalltag einzubauen, sagt der Physiologe. Dann kommt es gar nicht erst zum Wassermangel. Gunga empfiehlt verdünnte Fruchtsäfte, die gleich noch etwas Geschmack und Glukose mitliefern. „Wer jetzt beim täglichen Wiegen feststellt, dass er abgenommen hat, sollte sich nicht freuen, er hat vielleicht nur zu wenig getrunken.“

Alkoholische Getränke sollten den späteren Abendstunden vorbehalten bleiben. Schlafforscher bestätigen, dass die meisten Menschen im Sommer weniger Schlaf brauchen. Ihr Blut enthält, wie der Regensburger Schlafforscher Jürgen Zulley berichtet, im Winter deutlich mehr Melatonin, das als Müdemacher wirkt.

Vor allem die „Morgentypen“, die abends schlagartig müde werden und morgens gleich putzmunter aufwachen, ändern im Hochsommer ihr Schlafverhalten: Auch sie gehen jetzt freiwillig später ins Bett und genießen die lauen Sommerabende draußen. Das bringt auch alle diejenigen, die jetzt beruflich stark im Geschirr sind, in den Genuss einiger besonderer sommerlicher Großstadtfreuden: Jetzt ist es warm genug, um auch am späten Abend noch ein Bad im See zu nehmen. Und die Freiluftkino-Saison hat gerade erst richtig begonnen.

Allen, die unter der Hitze leiden, sei Eugen Roth ans Herz gelegt. Er wusste, dass es viel schlimmer kommen kann: „Ein Sommerregen ist erfreulich, ein Regensommer ganz abscheulich.“

Adelheid Müller-Lissner

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