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Hurrikankatastrophe: Rettern läuft die Zeit davon

Auch eine Woche nach dem Hurrikan "Katrina" ist das wahre Ausmaß der Katastrophe noch immer unklar. Vor allem in New Orleans rechnen die Behörden damit, Tausende Leichen zu bergen.

Washington/New Orleans (05.09.2005, 15:18 Uhr) - Den Helfern im Katastrophengebiet in den US-Südstaaten läuft die Zeit davon. Obwohl alle seine Männer bis zur totalen Erschöpfung arbeiteten, werde für viele Menschen die Hilfe zu spät kommen, sagte ein Offizier der Küstenwache dem US-Nachrichtensender CNN am Montag in New Orleans.

US-Präsident George W. Bush, dessen Krisenmanagement scharf kritisiert wurde, wollte am Montag zum zweiten Mal nach Freitag die Katastrophenregion besuchen und in Baton Rouge (Louisiana) zu den Menschen sprechen. Die früheren US-Präsidenten George Bush und Bill Clinton wurden CNN zufolge im Astrodome in Houston erwartet, wo 25.000 Flutopfer untergebracht sind.

Als Zeichen der Trauer über die Opfer von «Katrina» ließ Bush die Flaggen auf öffentlichen Gebäuden und Botschaften auf Halbmast setzen. Unklarheit herrscht nach wie vor über die Zahl der Toten. Gesundheitsminister Michael Leavitt sprach laut CNN am Sonntag als erstes Mitglied der Regierung in Washington davon, dass die Zahl der Toten «in die Tausenden geht». Offiziell wurden in Louisiana und Mississippi bislang 200 Leichen entdeckt. Der Bürgermeister von New Orleans, Ray Nagin, geht in seiner Stadt von mehreren tausend Toten aus, die noch in den Häusern und Wohnungen lägen.

«Meine Jungs kommen in ein Haus und rufen mich an, dass ältere Leute im Bett liegen, heftig atmen und zu sterben drohen, und wir können nichts machen», sagte Küstenwachen-Hauptmann Bruce Jones laut CNN. «Wir erhalten Hilferufe, in denen es heißt "Wir brauchen Sie, in unserem Hospiz liegen zehn Tote und zehn weitere Kranke liegen im Sterben". Diese Leute haben wahrscheinlich gestern oder vorgestern noch gelebt.» Die Küstenwache appellierte an die Menschen, die noch in ihren Wohnungen ausharren, diese mit farbigen oder weißen Kleidungsstücken zu markieren.

Spezialisten gelang es in New Orleans unterdessen, einen auf knapp 100 Meter gebrochenen Damm am Kanal an der 17. Straße direkt am Pontchartrain- See zu reparieren. Es wird nach Expertenschätzungen bis zu drei Monate dauern, das Wasser aus dem Stadtgebiet abzupumpen.

Politische Auseinandersetzung

Am Sonntag hatte sich die politische Auseinandersetzung über die Schuld am Rettungsdesaster verschärft. Mehrere schwarze Kongressabgeordnete lasteten der US-Regierung an, dass die Schwarzen, die hauptsächlich von dem Unglück betroffen sind, wie Menschen zweiter Klasse behandelt würden.

In New Orleans und Umgebung durchkämmen seit Sonntag Helfer die Straßen und Häuser nach Leichen. Aus Gebäuden der Stadt strömte starker Verwesungsgeruch. «Ich will die Leichen aus dem Wasser haben», sagte Nagin, bevor Moskitos «Krankheiten in der ganzen Stadt verbreiten». Die Einsatzkräfte fanden oft Familien, die in den eigenen vier Wänden ertrunken waren. Nationalgardisten und Soldaten gehen von Haus zu Haus, um die Einwohner notfalls zwangsweise aus der Stadt zu bringen. Nagin sagte CNN, auch nach der Evakuierung von 50.000 Menschen könnten sich noch 60.000 Einwohner in den überfluteten Stadtteilen aufhalten.

Warnung vor Seuchen

Gesundheitsminister Leavitt warnte die Einwohner vor Krankheiten, Seuchen und dem gefährlichen West-Nil-Virus. Das Virus wird von Mücken übertragen. Es kann insbesondere bei älteren und geschwächten Menschen Hirnhautentzündung auslösen.

In der größten Rettungsaktion in der Geschichte der Vereinigten Staaten hatte die US-Armee innerhalb eines Tages zehntausende Obdachlose aus New Orleans in Sicherheit gebracht. Die beiden größten Notunterkünfte, der Superdome und das Convention Center, sind nach Medienberichten geräumt. Vor den Absperrungen trafen allerdings weiterhin Hilfesuchende ein.

Zur Unterbringung von «Katrina»-Opfern charterten die Behörden zwei Kreuzfahrtschiffe. Ein drittes Schiff steht ab Donnerstag zur Verfügung. Die drei Luxusliner sollen in den nächsten sechs Monaten rund 7000 Vertriebene beherbergen, teilte die Kreuzfahrtgesellschaft Carnival Cruise mit.

Hilfe aus mehr als 50 Staaten

Nach der Ankündigung der USA, internationale Hilfe für die Katastrophenregion anzunehmen, sagten bis Sonntag mehr als 50 Staaten ihre Unterstützung zu; auch die EU, die Nato und die UN wollten helfen. Die Bundeswehr schickte einen weiteren Airbus mit Lebensmitteln für die Hurrikan-Opfer in die USA.

Mit großer Hilfsbereitschaft reagieren Unternehmen und Privatleute in Deutschland nach Angaben der Bundesregierung auf die Katastrophe in den USA. Zum Teil würden siebenstellige Summen gespendet, erklärte Regierungssprecher Béla Anda am Montag in Berlin.

Eine Woche nach dem Hurrikan, der nach Angaben von Bush ein Gebiet so groß wie Großbritannien verwüstete, stehen die Behörden vor einer humanitären Katastrophe. Rund eine Million Einwohner in drei Bundesstaaten verloren ihr Zuhause. Die Gesamtschäden werden auf 100 Milliarden Dollar (80 Milliarden Euro) geschätzt. Etwa 345.000 Menschen wurden laut CNN bis Sonntag in Notunterkünften untergebracht, davon 50.000 in Louisiana.

(tso/dpa)

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