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Panorama: Ich will doch nur spielen

Scarlett Johansson ist zwei Mal Star im Dezember – in einer Oscar-Wilde-Verfilmung und bei Woody Allen

Jung, verliebt, reich und glücklich ist Meg Windermere aus New York, als sie im Sommer 1930 mit ihrem Mann nach Italien reist. Dort aber wird die arglose 21-Jährige auch von einer attraktiven Frau erwartet, die ein starkes Interesse an ihrem Mann hat: „A Good Woman“ beruht auf Oscar Wildes Erzählung „Lady Windermeres Fächer“, einer eleganten Komödie voller bissiger Pointen. Scarlett Johansson glänzt mit welliger Flapper-Frisur, tief dekolletierten Charleston-Kleidern und immer wieder neuen Kappen und Hüten als Königin der High Society, die als einzige von all den Intrigen um sie herum nichts ahnt: eine perfekte Naive. Auch in Woody Allens „Match Point“, dem ersten Film des Altmeisters, der nicht in New York, sondern in London spielt, ist Scarlett Johansson als Society-Braut besetzt: Nola Rice ist eine amerikanische Schauspielerin, die Karriere auf Londons Bühnen machen will. Dabei hat sie keinen Erfolg, mehr bei der Auswahl ihres schwer reichen Verlobten. Dennoch beginnt sie eine Affäre mit dessen Tennislehrer, einem sozialen Aufsteiger aus Irland. Der Film hatte seine Premiere beim Festival in Cannes, und die Kritiker bejubelten ihn als Woody Allens bestes Werk seit langem. Woody Allen hat diesmal ganz auf das Starpotenzial und das Können der derzeit meistbeschäftigten Jungdarstellerin Hollywoods gesetzt. Und damit lag er richtig: Scarlett Johansson ist niedlich, zickig, ehrgeizig, verzweifelt und – supersexy.

Vor allem ihr blasses, flächiges Gesicht hat es den Männern angetan: weit auseinander stehende blaue Augen, fleischige Nase, großer Mund mit voluminösen Lippen und gesunden Zähnen. Ihr Teint ist so klar, dass sie ungeschminkt mitunter beinahe nackt wirkt, wenn die Kamera auf ihrem Gesicht verharrt, und das tut sie oft.

Vierzehn war sie, als sie erstmals auffiel: In Robert Redfords „Der Pferdeflüsterer“ (1998) spielte sie die bei einem Reitunfall verunglückte Grace.

Als „Lost in Translation“ vor zwei Jahren zum internationalen Kultfilm avancierte, konnte man Scarlett Johansson, zur Drehzeit 18-jährig, nicht mehr übersehen; sie avancierte zum Liebling der Kritiker. In aller Unschuld fühlt sie sich zu einem alternden Hollywood-Star hingezogen, der mit ähnlichen Verlassenheitsgefühlen kämpft wie sie selbst. Die zwischen den beiden sich anbahnende Liebesgeschichte erschöpft sich in Andeutungen dessen, was sein könnte.

Die männliche Sehnsucht nach einer erwachsenen, verständnisvollen Partnerin mit dem makellosen Körper eines jungen Mädchens klingt hier an, und in „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“, Peter Webbers meisterlich inszenierter VermeerAnnäherung, ebenfalls aus dem Jahr 2003, sind alle Männerfantasien auf den Punkt gebracht: Scarlett Johansson ist Magd, Modell und Muse des Malers, die perfekte Inkarnation von Sinn und Sinnlichkeit – sie kann Farben mischen und Stillleben inszenieren; sie muss gehorchen und darf nicht ohne Aufforderung sprechen, sie ist stumme Zeugin des schöpferischen Prozesses und glühende Verehrerin des Schöpfers. Sie muss für das Porträt den Mund öffnen und die Lippen befeuchten; ihr Widerwille ist lasziv, ihre Unschuld provokant. Scarlett Johanssons großflächiges Gesicht und ihr klarer Teint prädestinierten sie als Model für ein Parfüm von Calvin Klein, obwohl sie kein Mode-Typ ist. Im Werbespot der Firma wird sie als klassischer Vamp inszeniert: Und äußerlich passt sie in diese Glamour-Rolle ebenso wie ins Delft des 17. und ins Tokio des 21. Jahrhunderts, oder – in „A Good Woman“ – ins London des Fin du siècle. Aber sie kann eben auch spielen. Das macht sie zum Superstar in Hollywood. 2006 spielt sie in fünf Filmen.

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