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Panorama: Im Bann des Bösen

Während in Deutschland der Bochumer Satanistenmord für Aufsehen sorgt, steht die türkische Öffentlichkeit unter dem Schock einer Tragödie, bei der ebenfalls Teufelsanbeter ihre Hände im Spiel haben sollen. Dabei geht es allerdings nicht um Mord, sondern um Selbstmord scheinbar glücklicher Mädchen sowie um rätselhafte Botschaften im Internet - und um die Macht des Bösen, die offenbar viele Jugendliche anzieht.

Während in Deutschland der Bochumer Satanistenmord für Aufsehen sorgt, steht die türkische Öffentlichkeit unter dem Schock einer Tragödie, bei der ebenfalls Teufelsanbeter ihre Hände im Spiel haben sollen. Dabei geht es allerdings nicht um Mord, sondern um Selbstmord scheinbar glücklicher Mädchen sowie um rätselhafte Botschaften im Internet - und um die Macht des Bösen, die offenbar viele Jugendliche anzieht.

So auch die 16-jährige Lara. Mit ihren langen schwarzen Haaren und den großen dunklen Augen war Lara nicht nur eine Schönheit, sie war auch intelligent und begabt. An einem Elitegymnasium in Istanbul erzielte sie beste Noten; mit ihren Mitschülern verstand sie sich gut. An einem ganz gewöhnlichen Morgen in der vergangenen Woche stieg Lara statt in den Schulbus in ein Taxi, ließ den Wagen auf der Brücke über den Bosporus halten, sprang hinaus - und stürzte sich 60 Meter tief in den Tod. Stundenlang suchten Rettungsmannschaften in der Meerenge nach dem jungen Mädchen; ihr eigener Vater zog die Leiche schließlich aus den Fluten in ein Fischerboot.

Zwar springen insbesondere seit Ausbruch der türkischen Wirtschaftskrise fast täglich verzweifelte Menschen von den Bosporus-Brücken in die Tiefe, doch der Freitod der jungen Lara hat Eltern, Erzieher und Ermittler in der Türkei elektrisiert wie kein anderer Selbstmord. Denn im Internet tauchten nach der scheinbar unerklärlichen Tat plötzlich Hinweise darauf auf, dass Lara mit Satanisten in Verbindung stand. Aufgrund dieser Fährte hat die Polizei nun auch die Ermittlungen zu mehreren anderen rätselhaften Selbstmorden von Gymnasiasten in Istanbul wieder aufgenommen. Zweieinhalb Jahre nach einem grausamen Satanisten-Mord an einer jungen Frau auf einem Istanbuler Friedhof geht unter türkischen Eltern wieder die Angst vor dem Teufelskult um.

Zwar hatte Lara alle Daten von ihrem Computer gelöscht, bevor sie sich zur Todesfahrt ins Taxi setzte. Bei der Polizei meldeten sich aber bald "virtuelle" Bekannte des Mädchens, denen sie in Chat-Foren im Internet begegnet war, und berichteten von einer Satanisten-Verbindung. Die Ermittler beschlagnahmten daraufhin Laras Computer, auf dessen Festplatte sie trotz der Datenvernichtung noch eindeutige Botschaften fanden: "Ich will eine wirkliche Satanistin werden - ich will sterben", soll Lara geschrieben haben. Die Ermittler holten sich auch die Computer von zwei anderen jungen Mädchen, die sich schon vor einiger Zeit unter bisher ungeklärten Umständen das Leben genommen hatten. Bei zumindest einem dieser Mädchen, der damals 16-jährigen Ceylan vom renommierten Deutschen Gymnasium in Istanbul, war schon zur Tatzeit an eine Satanisten-Verbindung gedacht worden; das Mädchen hatte sich vor 15 Monaten vom Dach des Gymnasiums gestürzt. Auch die Ermittlungen zum Doppel-Selbstmord von zwei Schülerinnen im Istanbuler Stadtteil Ataköy vor drei Jahren sollen neu aufgerollt werden; die beiden Mädchen waren Hand im Hand aus dem 14. Stock gesprungen und hatten ebenfalls Hinweise auf Kontakte zur Satanisten-Szene hinterlassen.

Rund 3000 aktive Satanisten gibt es nach Erkenntnissen der Istanbuler Polizei in der Türkei. Die meisten Anhänger sind zwischen 14 und 25 Jahre alt; getrieben werden sie durch Pubertätsprobleme, Aufmüpfigkeit gegen die Familie und Glaubensverwirrung. Dabei spielt die jeweilige Religionszugehörigkeit offenbar keine Rolle: Lara gehörte der jüdischen Minderheit in der Türkei an, andere Opfer waren islamischen Glaubens.

Die Riten der Satanisten werden in der Regel am 13. des Monats oder an Freitagen zelebriert, und zwar vorzugsweise in Ruinen und auf Friedhöfen. Einer polizeilichen Untersuchung zufolge werden dabei Katzen geopfert und ihr Blut getrunken; die männlichen Satanisten saugen mitunter auch Blut aus den Armen der weiblichen Anhänger. Doch dabei bleibt es nicht immer: Auf einem Friedhof im Stadtteil Ortaköy ermordeten drei Satanisten im Herbst 1999 auf grausamste Art und Weise eine 21-jährige Frau. Vor Gericht erklärte das Trio - darunter ein junges Mädchen - ungerührt, der Auftrag zu dem Mord sei von Satan gekommen.

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