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Panorama: Im falschen Buch

Ex-Ministerin Renate Künast liebt die Royals – und ist enttäuscht vom Neuesten über Camilla

Dreihundertsechsunddreißig Seiten und ehrlicherweise habe ich schon nach den ersten zwei Seiten ein laues Gefühl. Lese ich etwa das falsche Buch? Ich gebe zu: In den Zeitungen lese ich „Aus aller Welt“ und dort die Geschichten übers englische Königshaus. Ich besitze Bildbände über den berühmten Garten in Highgrove und hatte die Freude, ihn sogar zu besichtigen. Also habe ich manches gemeinsam mit all denen, die wiederum behaupten, entsprechende Zeitschriften nie zu kaufen, aber beim Arztbesuch … und natürlich nur wegen quälend langer Warterei. Aber dieses Buch ist höchstens geeignet, der Leserin ihre heimliche Leidenschaft für Königshäuser gründlich zu vermiesen.

Unter dem Deckmantel des Titels „Camilla – Die Geschichte einer großen Liebe“ kommt ein Buch daher, das vielleicht dem rüden Umgang der britischen Yellowpress mit dem Königshaus entspricht; nicht aber den hiesigen Gepflogenheiten, über Personen des öffentlichen Lebens zu berichten. Vermutungen, Gerüchte aus erster, zweiter und dritter Hand und allerhand Spinnereien werden umstandslos aneinander gereiht. Eine Geschmacksprobe: „Aber warum war er so besessen von ihr? Lag es an der sexuellen Macht, die Camilla über ihn hatte?“

Vergleiche werden im Buch viele gezogen: zur Beziehung zwischen dem Prinzen von Wales und Mrs. Wallis Simpson und natürlich zu Camillas Urgroßmutter Alice Keppel. Das kannten wir alles schon, es erklärt uns leider reichlich wenig. Nachdem die Leserin erfahren hat, dass Camilla – wie auch Alice Keppel – auf Duntreath Castle geboren wurde, folgt der erhellende Satz: „genau der richtige Ort, um die Geliebte eines Königs hervorzubringen“. Aber natürlich muss unsere Hauptfigur auf dem Weg dahin durch eine typische Nachkriegsschule und landet später auf einer höheren Schule, die angeblich die Ehefrauen für das halbe Auswärtige Amt hervorbringt!

Dann aber beginnen erst richtig die Indiskretion und der Voyeurismus: Viele Seiten lang wühlt der Autor in Intimitäten – von Aquarellmalerei als gemeinsamem Hobby bis zu Tränen, Nervenzusammenbrüchen und Depressionen. Am Ende weiß ich nicht mehr, wer wann was davon erlitten haben soll.

In diesem Zustand der Verwirrung findet die mittlerweile nicht mehr geneigte Leserin in der Mitte des Buches auf satten acht Seiten ein abgehörtes Telefongespräch von Camilla und Charles. Also eigentlich ein Fall für den Datenschutzbeauftragten und den Staatsanwalt. Spätestens hier ist jeder, der hin und wieder Geschichten in den Magazinen beim Arztbesuch liest, ernüchtert: Dies alles wollten wir gar nicht wissen. Die ganze Medienindustrie um Prinzen und Prinzessinnen sollte selbige tunlichst nicht dem Volke derart entzaubern. Das Interesse an diesen Personen lebt ja gerade von einem Stück Unnahbarkeit und dem Geheimnis, das sie umwittert.

Das letzte Drittel des Buches ist eventuell verwendbar im ersten Semester Public Relations, denn es beschäftigt sich im Wesentlichen mit der behaupteten jahrelangen Strategie, Camilla zu einem positiven öffentlichen Image zu verhelfen. Es taugt selbst dazu wenig: Wahrlich Erhellendes hat das Buch auch zu diesem Thema nicht beizutragen.

Bei so viel enttäuschter Lesefreude bleibt nur, zu einem anderen Buch zu greifen: ich suche im Bücherregal nach einem von Heinz Ohff, dem vor kurzem verstorbenen ehemaligen Feuilletonchef des Tagesspiegels. Er schrieb über Königin Luise von Preußen, „Ein Stern in Wetterwolken“: eine Geschichte über eine große Liebe, das klüger macht, spannend ist und Prinzessinnen kommen auch drin vor.

Strafen Sie Christopher Wilson mit Nichtkaufen!

Christopher Wilson: Die Geschichte einer großen Liebe. Verlag Marion von Schröder, Berlin. 19.95 €

Heinz Ohff: Königin Luise von Preußen. Ein Stern in Wetterwolken. Piper Verlag, München, 12,90 €

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