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Panorama: Im Flug durch die eigene Geschichte

Am Samstag nächster Woche kommt der Papst nach Deutschland. In Bayern wollen alle dabei sein, wenn er seine Heimat besucht

„Jahrhundertereignis“ ist als Wort schnell dahergesagt, aber ganz Unrecht hat der sozialdemokratische Freisinger Oberbürgermeister Dieter Thalhammer nicht, wenn er den Papstbesuch vor Ort so einordnet. Jahrhundertereignisverdächtig ist schon, dass die Schule nicht losgeht, obwohl die Ferien zu Ende sind. Grundsätzlich haben bayerische Kinder und Jugendliche nur am Dienstag, 12. September, zusätzlich frei. Aber Freisinger und Regensburger Schüler sollen jede Möglichkeit haben, Benedikt XVI. zu erleben, und dürfen auch Mittwoch und Donnerstag unterwegs sein. Zwar sei Ausgefallenes „zeitnah“ nachzuholen, wie das Kultusministerium mit geradezu preußischer Penetranz anmerkt – doch ist kaum damit zu rechnen, dass die erste Unterrichtswoche in Bayern normal stattfindet. Erst wenn der Papst gegen Donnerstagmittag wieder weg sein wird, wird das Land bis zur Münchener Wiesn wieder seine Ruh’ haben.

Seine Bewohner wollen selbige auch vorher nicht verlieren – da könnt’ ja sonst jeder kommen … Dass es der bayerische Papst im Verlauf seiner Amtszeit wahrscheinlich aber nur einmal auf großen Heimatbesuch schaffen wird, scheint auch jedem bewusst. So ist getan worden, was getan werden kann für Benedikt XVI.

Hilfreich ist für die Organisatoren, dass etliches von der WM stehen geblieben ist, was sich auch für Großmessen unter freiem Himmel eignet: Sperrgitter zum Beispiel, die massenhaft in München- Riem gebraucht werden, wo auf dem ehemaligen Gelände der Bundesgartenschau die eine Großmesse stattfindet. Regensburg hat die andere. Insgesamt sollen da wie dort mindestens 300 000 Menschen zusammenkommen; die Bahn rechnet mit einer Million zusätzlicher Fahrgäste.

Die Großveranstaltungen hat das Erzbischöfliche Ordinariat München mit tausenden von ehrenamtlichen Helfern wohl weitgehend im Griff. Unkalkulierbarer wird es, wenn der Papst die großen Städte verlässt und in Richtung Marktl aufbricht, das räumt auch der Ordinariatssprecher Winfried Röhmel ein. Aber er ist auch stolz, dass beim Werbeaufwand die Kirche buchstäblich im Dorf geblieben ist. Die Plakate zeigen ein Bild vom Papst und die einfache Botschaft: „Wer glaubt ist nie allein“ – ohne Punkt und Komma: „Wir wollten das nicht durchstylen wie bei einer Produktwerbung“, sagt Röhmel.

Am Montag wird der Heilige Vater auf seiner „sentimental journey“, wie Amerikaner sagen würden, nach Altötting reisen. Als Benedikt XVI. noch Joseph Kardinal Ratzinger hieß, hat er gesagt, dass er sich „geistlich in Altötting zu Hause“fühle. Von Kindheit an kennt er das Gefühl, wie es ist, als Wallfahrer vor der „lieben Frau von Altötting“ zu stehen, einer winzigen Marienfigur aus Lindenholz, die in der Gnadenkapelle steht. Als er längst in Rom arbeitete, hat Ratzinger denn auch immer wieder Pilger nach Altötting begleitet, wo er das „Herz Bayerns“ verortet sieht und wo von dieser schwarzen Madonna übernatürliche Heilkräfte ausgehen sollen. Nur einen Kurzbesuch bekommt der tatsächliche Geburtsort Joseph Ratzingers: Fünfzehn Minuten sieht das Protokoll für den Aufenthalt in Marktl vor. Der Vatikan war nach der Papstwahl nicht von jeder PR-Aktion der Gemeinde begeistert. Und die Straße nach Marktl ist klein, das Dorf selber winzig. Benedikt XVI. wird Richtung Regensburg mit dem Hubschrauber entschweben. Dort ist er nach der zweiten Großmesse, einem Treffen mit Wissenschaftlern und einer ökumenischen Begegnung endlich einmal allein mit seinem Bruder, den er selten sieht: Der vormalige Leiter des Regensburger Domchors und Benedikt XVI. haben 24 Stunden für sich privat reserviert.

Obwohl die vatikanische Reiseleitung sich Mühe gegeben hat, alle Stationen im bayerischen Leben des späteren Benedikt XVI. zu berücksichtigen, geht Traunstein fast leer aus. Dort hat man eine Glocke prägen lassen, die zur Messe in München läuten und später zurückkehren soll.

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