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Panorama: Im Flug fielen alle Triebwerke aus

Ein Albtraum für jeden Passagier – aber die Piloten segelten 120 Kilometer weit und landeten sicher

Zwölf Kilometer hoch über den Weiten des Atlantiks wurde für die 293 Passagiere des Nachtfluges TSC 236 von Toronto nach Lissabon ein Albtraum Realität. Im kurzen Abstand setzten beide Triebwerke des Airbusses A330 der kanadischen Fluggesellschaft Air Transat aus. Trotzdem gelang es den Piloten, die Maschine wie ein Segelflugzeug 19 Minuten lang in der Luft zu halten und auf dem Militärflughafen Lajes auf der Azoreninsel Terceira notzulanden.

Der Vorfall zeigt, dass große Passagiermaschinen entgegen den Befürchtungen vieler Passagiere bei einem Totalausfall aller Motoren nicht wie ein Stein runterfallen. Die Maschinen verfügen über ausgeprägte Segelflugeigenschaften, die die Piloten für eine Notlandung oder gar Notwasserung in bis zu 200 Kilometern Entfernung ausnützen können.

Das belegt auch der Untersuchungsbericht, den die portugiesischen Sicherheitsbehörden jetzt zu diesem Flug vorgelegt haben, der sich bereits im August 2001 ereignete.

Beim Start in Toronto hatte der Airbus 47,4 Tonnen Kerosin an Bord. Bis zur Landung in Lissabon sollten 42 Tonnen verbraucht sein. Doch rund viereinhalb Stunden nach dem Start bemerkten die Piloten einen erhöhten Treibstoffverbrauch.

Schon zwölf Minuten später reichte der Vorrat nicht mehr zum Erreichen des Zielortes. Als sich die Crew zur Ausweichlandung auf den Azoren entschloss, waren bereits zwölf Tonnen Kerosin durch ein nicht erkanntes Leck im rechten Triebwerk geflossen. Wie in dem Untersuchungsbericht festgehalten wird, war Schlamperei beim Austausch eines Triebwerkes die Ursache.

Rund 280 Kilometer vor Lajes waren nur noch 600 Kilo Kerosin im Tank. Das rechte Triebwerk setzte aus. Elf Minuten später – man war noch 120 Kilometer von der Landebahn entfernt – blieb auch das linke Triebwerk stehen. Der Druck in der Kabine fiel ab, das Licht ging aus. Nur die Notbeleuchtung erhellte spärlich die Kabine, als die erschrockenen Passagiere die herabfallenden Sauerstoffmasken anlegten. Es funktionierten nur noch die wichtigsten Steuerelemente und Bordsysteme. Aus 10 000 Metern Höhe gelang es den Piloten, den Militärflugplatz in einem 120-Kilometer-Segelflug zu erreichen.

Bei der harten Landung und der anschließenden Vollbremsung – auch das Anti-Blockier-System funktionierte nicht mehr – platzten die Reifen, die durch Überhitzung in Brand geratenen Räder konnten schnell gelöscht werden. Die Insassen mussten das Flugzeug innerhalb von 90 Sekunden über die Notrutschen verlassen. Dabei wurden 12 Fluggäste und zwei Besatzungsmitglieder leicht verletzt.

Wegen der großen Zuverlässigkeit moderner Düsentriebwerke dürfen sich zweistrahlige Verkehrsflugzeuge auf Transozeanflügen bis zu 180 Flugminuten (rund 2500 Kilometer) vom nächsten Flughafen entfernen. Ein ausreichender Treibstoffvorrat wird dabei vorausgesetzt. Je nach Gewicht und Witterung kann ein A330 aus 10 000 Metern Höhe über eine Distanz von 160 bis 200 Kilometern im Segelflug zu Boden gleiten. Bei höchstzulässiger Distanz zum nächsten Flughafen hätte allerdings auch das nichts genutzt. Dann wäre eine Notwasserung die letzte Rettung gewesen.

Dabei landen die Piloten das Flugzeug mit eingezogenem Fahrwerk auf dem Wasser, was nur bei leichterem Wellengang möglich ist. Für diesen Fall werden auf allen Ozeanflügen Schwimmwesten und aufblasbare Rettungsflöße mitgeführt. Wie sicher der Flugverkehr ist, beweist die Tatsache, dass es in den letzten 40 Jahren nur vier derartige Fälle gab.

Rainer W. During

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