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Dem Land etwas zurückgeben. Leslie Mandoki auf dem Starnberger See. Fotos: imago (1), dpa (2)

© IMAGO

Imagekampagne mit Dschinghis Khan: Wie sich die CSU als hip inszenieren will

Die CSU stellt den Sänger Leslie Mandoki als Direktkandidat auf. Mit ihm und vielen anderen Ideen will die Partei ihr verstaubtes Image aufpolieren. Den Anfang machte Generalsekretär Alexander Dobrindt mit seinem Hipster-Outfit samt Nerd-Brille. Ein Besuch am Starnberger See.

Eine Mitarbeiterin geleitet ins Privatkino – zehn rote, komfortable Sitze in drei Reihen darin, eine große Leinwand. Sehr edel. Der Film kann beginnen. Von der ersten Minute an wird in den Video-Sequenzen bei dieser Kinovorführung gerockt, Blues gespielt, bombastische Pop-Klangteppiche nehmen den Raum ein. Ein Ohrwurm aus der alten Zeit ist an den nächsten geschnitten: „Locomotive Breath“, „Papa was a Rolling Stone“, „Smoke on the Water“. Und, natürlich, „Imagine“ von John Lennon. Es spielen die „All Stars“ aus den Bands von früher. Einer ist immer dabei, er trommelt am Schlagzeug und singt manchmal: Leslie Mandoki. Und hier, in seinen Red-Rock-Studios, oberhalb des Starnberger Sees gelegen, nur 200 Meter Luftlinie zum Wasser, werden all diese Menschen und all diese Musik zusammengewoben. Hier ist der Produktionsort, die Schaltzentrale, das Kommunikationszentrum eines Musik-Universums.

Inmitten von all dem ist Leslie Mandoki. Schlagzeuger, erfolgreicher Musikproduzent, Klangmaler. Weltweit vernetzt. Einst Sänger in der Gruppe Dschinghis Khan. Und im Herbst soll er Politiker werden, die oberbayerische CSU wird ihn zum Kandidaten für den Landtag nominieren. Ein Musiker, der politisch ein Schwarzer ist und mit dem sich die Christsozialen cool, bunt und modern geben wollen. Immerhin sind sie damit in den 70er Jahren angekommen. Damals brannte sich sein Gesicht ins Gedächtnis der Republik ein.

Knalleffekt. Markus Söder als Marilyn Monroe mit Horst Seehofer im Karneval.
Knalleffekt. Markus Söder als Marilyn Monroe mit Horst Seehofer im Karneval.

© picture alliance / dpa

Endlich sind die Besucher vom Internationalen Olympischen Komitee weg. Sie sprachen mit ihm über die Musik zu den Winterspielen im nächsten Jahr im russischen Sotschi. Mandoki, eben 60 Jahre alt geworden, bittet auf die große Terrasse im ersten Stock. Es ist der zweite Sonnentag des Jahres, traumhafter Blick über den See. Bayern weiß-blau.

Warum kandidieren Sie für die CSU? „Europa ist ein wunderbarer Fleck Erde“, sagt er getragen. Er erzählt von seinem Denken, seiner Welt. „Hier gibt es keine Folter, keine Zensur, keine Bespitzelung und keinen Schießbefehl mehr.“ Mandoki stammt aus Ungarn, eigentlich lautet sein Vorname Laszlo. Als Student gehörte er der Opposition in dem kommunistischen Land an und flüchtete mit 22 Jahren in die Bundesrepublik. „Mir ist Bildung wichtig und die Chancengleichheit“, sagt er. In Deutschland, in Bayern seien ihm Toleranz und Warmherzigkeit begegnet. Er kandidiere nun aus einem „patriotischen Gefühl“ heraus: „Ich habe viel empfangen von diesem Land, deshalb möchte ich auch etwas zurückgeben.“ Er redet darüber, wie wichtig Umweltschutz ist und dass Finanzwetten im Bankensektor verboten gehörten.

Herr Mandoki, sind Sie ein Grüner? „Nein“, ruft er und schlägt mit der Hand auf den Tisch. Der Staat müsse auch ordentlich wirtschaften, ohne Schulden. Dieses „paradiesische Bayern“ habe sich vom armen Agrarland hochgearbeitet. Jetzt würden beste Löhne bezahlt, es gebe Elite-Universitäten, eine saubere Umwelt. Die Grünen? „Sympathische Fragesteller, sehr wichtig für die Gesellschaft.“ Ihn aber ziehe es hin zu „Menschen, die Antworten geben“. Etwa christsoziale Politiker. Oder VW-Ingenieure, die einen Dieselhybrid-Kleinwagen präsentieren, der 0,83 Liter Sprit auf 100 Kilometer verbraucht.

Mit aller Gewalt junge Wähler ansprechen

Mandoki macht schon seit langem bei VW-Präsentationen auf Autoshows die Musik. Er komponiert und produziert die filigranen Töne und das Klanggewitter, wenn in großen Hallen Modelle präsentiert werden – mit neuem Motor, Design, viel Lack und an leicht bekleideten Models, die lasziv an den Kotflügeln lehnen.

„Sie sind ein Rocker.“ „Ja, klar“. Immer wirkt er locker, wie einer, der sofort die Schlagstöcke nehmen und bei einer Garagenband trommeln würde. Diesen Mann mit den langen Haaren und dem mächtigen Schnauzer gewinnt die CSU zum Werbeträger. Welche Häutung durchlebt die Partei gerade, die doch Inbegriff des bayerischen Konservativismus ist? Ihr Kern liegt weiterhin irgendwo etwas rechts von der CDU. Doch bei der Oberflächenerscheinung scheint es Schlag auf Schlag in Richtung Moderne zu gehen.

Klar erkennbar hat das im Januar vergangenen Jahres mit Alexander Dobrindts neuer Brille und neuem Outfit begonnen. Der CSU-Generalsekretär präsentierte sich, deutlich schlanker, mit einem gewaltigen schwarzen Hipster-Gestell. Der neue Anzug absichtlich ein bisschen zu grell und zu eng, die Schuhe im Trend – ein CSU-Generalsekretär als intellektueller Großstadt-Nerd. Es folgte im Mai des vergangenen Jahres die sogenannte Facebook-Party von Ministerpräsident Horst Seehofer im Münchner Nobel-Club P1. Damit wollten Seehofer und die CSU öffentlich demonstrieren, dass sie wissen, was Facebook ist. Alle seine digitalen Freunde lud Horst ein. Der Andrang vor Ort war eher bescheiden, riesig hingegen das mediale Echo: Horst ist ein Facebook-Kenner, irgendwie ein cooler Typ. Alexander Dobrindt wurde auf der Party immer wieder nach der Botschaft des Events gefragt: „Die Botschaft ist, dass das stattfindet“, sagte er.

Mit Nerd-Brille: Alexander Dobrindt.
Mit Nerd-Brille: Alexander Dobrindt.

© picture alliance / dpa

„Dobrindts Brille war offensichtlich, wohl zu offensichtlich“, sagt der Dresdner Politik-Professor Werner Patzelt zum neuen CSU-Außenanstrich. Die Aktionen seien aber „kein Schuss nach hinten“. Denn in der Partei seien „Modernität und Tradition nie ein Widerspruch gewesen“. Patzelt ist ein Bayer, er stammt aus Passau, und er ist der CSU gewogen. Dennoch hat er eine Distanz zu den Christsozialen gewahrt. Der vernichtende Absturz bei der Landtagswahl 2008 habe der Partei gezeigt: „Andere junge Leute prägen das geistige Klima in Bayern.“ Eine „Schockerfahrung“ sei es gewesen, als die CSU plötzlich nicht mehr alleine regieren konnte und mit der FDP koalieren musste. Zuvor hatte die Partei den alten Edmund Stoiber weggeschickt.

„Der Edmund ist ein herzlicher Freund“, sagt Leslie Mandoki. „Ein humorvoller, liebevoller, toller Kerl.“ Mit dem Edmund pflege er „tiefen Gedankenaustausch“. Er kennt die CSU-Granden. Die Oberbayern-Chefin Ilse Aigner – „eine gute Freundin“ – ruft an und lädt ihn zum Essen ein. Sie war es, die ihn um eine Kandidatur bat.

Mit seinen 71 Jahren genießt Stoiber in der CSU mittlerweile wieder Kult-Status, ein spät berufener Pop-Star. Ausgerechnet er trägt zum frischen Image der CSU bei. Er war es, der die geniale Idee hatte, öffentlich Stefan Raab als Moderator für das TV-Kanzlerduell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück vorzuschlagen. Als Steinbrück knurrend ablehnte mit den Worten: „Politik ist keine Unterhaltungssendung“, sah der SPD-Kandidat ziemlich alt aus.

Stoibers legendär verunglückte Reden über die Vorzüge des Transrapids („Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München … „) wird inzwischen von der CSU als Kult vermarktet. Die Rede wurde schon als Schlagzeug-Version von einem jungen Drummer vertont, einem Absolventen der Pop-Akademie Baden-Württemberg. Stoiber lud ihn zum Aschermittwoch nach Passau ein. Auch andere in der Partei frönen der Blödelei. Finanzminister Markus Söder verkleidete sich bei der Fastnacht im fränkischen Veitshöchheim als Marilyn Monroe. Die Bilder erschienen in der ganzen Republik – die CSU mag’s heiß und frischt ihr Image als verstaubte Provinzpartei auf.

„Die CSU ändert ihre Benutzeroberfläche“, sagt Patzelt. „Aber sie behält ihre Hardware und ihre Programme.“ Auch konservative Anhänger, die am Stammtisch mit dem Hirschgeweih an der Wand sitzen, „wollen keine eingemauerte CSU“. Es ist ein kulturelles Missverständnis: Außerhalb des Freistaates spottet man darüber und hält das für peinlich. Die Bayern allerdings sähen es viel selbstironischer, sagt Patzelt. „Das Frotzeln ohne Ende gehört zum guten Ton, natürlich auch über die CSU.“ Das CSU-Lebensgefühl bestehe zwar auch aus bajuwarischen Schützen, König-Ludwig-Medaillen und Gamsbarthüten. Doch man nimmt es dennoch locker.

Der Rocker Leslie Mandoki macht Musik mit vielen Top-Stars seines Alters, er bringt sie immer wieder zusammen: Phil Collins, Lionel Richie, Soul-Diva Chaka Khan. Roger Hodgson (Supertramp), Eric Burdon, Ian Anderson (Jethro Tull). Er hat am Starnberger See ein Weltklassestudio, besitzt ein Schlagzeug, wie man es kaum je gesehen hat. Früher ging er nach Los Angeles oder New York zum Produzieren, jetzt kommen die Leute zu ihm. Hier entstehen die Lieder und CDs von Peter Maffay. Auch der Peter ist „ein sehr guter Freund“, sagt Mandoki. „Er wohnt gleich da unten, wir sind Nachbarn“, und deutet den Hang hinab. Hier haben die beiden jeder ein Haus direkt am Wasser. Mandokis Tochter ist als Schülerin früher manchmal im Sommer zur Schule geschwommen.

Wenn es ihn in die Politik verschlägt, sagt Mandoki nun, dann werde er trotzdem auf kein Konzert und auf keine Musikproduktion verzichten. Der Musiker im Finanz-, Landwirtschafts- oder Gesundheitsausschuss? Die Chancen stehen gut, dass das nicht eintritt. Denn wer ins bayerische Wahlrecht schaut, stellt fest, dass Mandoki auf der Liste kaum in den Landtag gelangen wird. Darum geht es offenbar gar nicht. Vor allem soll er zusätzliche Stimmen einfahren.

In seinen Mails schreibt er das Wort „Musik“ in Großbuchstaben: MUSIK. Beim Fest zum 70. Geburtstag von Edmund Stoiber drängte er darauf, Songs aus Stoibers Generation zu spielen – Janis Joplin zum Beispiel und Jimi Hendrix. Stoiber war einverstanden, Leslie Mandoki brachte das Prinzregententheater zum Rocken. Mit der CSU, da waren sich alle sicher, geht es jetzt richtig bergauf.

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