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Todesfalle. Schwarzer Rauch quillt aus dem berühmten Casino Royale in der mexikanischen Wirtschaftsmetropole Monterrey. Fotos: AFP/Reuters

© AFP

Panorama: In der Hölle von Monterrey

Killerkommando setzt Spielkasino in Brand – 53 Tote. Eskalierender Drogenkrieg soll die Ursache sein

Donnerstag, 15 Uhr 20 in Monterrey. Mittagsessenszeit in Mexiko. Im Casino Royale an der Straßenecke Gonzalitos und San Jerónimo ist schon einiges los. Das zweistöckige Spielkasino mit einer Kapazität für mehrere hundert Gäste ist seit drei Jahren in Betrieb und eines der beliebtesten der nordmexikanischen Stadt. Dann geht alles ganz schnell: Vier Geländewagen fahren vor, sechs vermummte, schwerbewaffnete Männer steigen aus, stürmen ins Gebäude und brüllen die Anwesenden an, sich auf den Boden zu werfen. Panik bricht aus. Besucher und Angestellte rennen schreiend in den hinteren Teil, wo sich die Toiletten befinden, um Schutz zu suchen. Augenzeugen berichten von einer Schießerei und einer Granate, die abgefeuert wird – Angaben, die von den Ermittlern zunächst nicht bestätigt wurden. Dann hätten die Vermummten Benzinkanister ausgeschüttet und das Gebäude in Brand gesteckt.

Das Kommando verschwindet so blitzartig, wie es gekommen ist, das Gebäude geht in Flammen auf und brennt fast vollständig aus. Über 100 Kunden gelingt die Flucht über die Dachterrasse. Andere – vor allem Frauen – schaffen es mit der Unterstützung eines Angestellten, sich durch ein kleines Fenster auf den Parkplatz hinaus ins Freie zu retten. Als die Feuerwehrleute kommen, steht das Gebäude lichterloh in Flammen. Eine Stunde später rammen Rettungskräfte mit Baggern Löcher in dieWände,durch die ebenfalls einigen die Flucht aus dem Flammenmeer gelingt.

Doch diejenigen, die in den hinteren Teil geflüchtet sind, stecken in der Falle. Die Notausgänge sind verrammelt und mit Schlössern verriegelt. Auch die Bäder und ein unterirdischer Parkplatz bieten keinen Schutz. Einige telefonieren noch per Handy mit ihren Angehörigen, doch dann verliert sich der Kontakt. Sie suche ihren Bruder, einen Angestellten des Kasinos, berichtet Maria Tomas Navarro schluchzend Reportern, als sie Stunden nach dem Angriff noch vor dem Gebäude ausharrt. „Ich rufe ständig auf seinem Handy an, aber er antwortet nicht. Etwas ist passiert, aber niemand antwortet mir“, sagt sie unter Tränen.

Viele Opfer ersticken und verbrennen. Von einer „tödlichen Falle“ spricht der Zivilschutzbeauftragte Jorge Camacho. Vier Stunden brauchen die Feuerwehrmänner, um den Brand zu löschen. Die Bergungsarbeiten gehen langsam voran; erst ist von vier, dann sechs Toten die Rede, dann von 18, 22, schließlich 32. Bis in die frühen Morgenstunden des Freitag werden nach Angaben des Katastrophenschutzes 53 Leichen geborgen. Möglicherweise erhöhe sich die Zahl der Opfer noch. Angehörige der Opfer kritisieren die langsamen,unkoordinierten Rettungsarbeiten.

Es war nicht der erste Anschlag auf das Spielkasino, das schon im Januar Ziel eines Killerkommandos war. Damals verschleppten die Maskierten einen Kunden vom Parkplatz. Im Mai schloss die Stadtverwaltung das Casino – allerdings wegen der Nichteinhaltung von Auflagen beim Erweiterungsbau. So seien nicht genügend Notausgänge vorhanden gewesen, und die Fluchtwege nicht gekennzeichnet worden. Doch die Justiz gewährte auf Antrag der Betreiber die vorläufige Inbetriebnahme. Der sogenannte „Amparo“ ist ein in Mexiko gängiger Weg, um Verwaltungsakte und Justizentscheide zu umgehen. Die Tragödie sei zu vermeiden gewesen, wenn man seinen Anordnungen Folge geleistet hätte, sagte Bürgermeister Fernando Larrazábal. Das Kasino gehört zu einer Kette, die in mehreren Städten Mexikos Spielhöllen besitzt.

Die Regierung verurteilte den Angriff als „inakzeptablen, barbarischen Terrorakt“. Präsident Felipe Calderón, der den Drogenkartellen den Krieg erklärt hat, sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus. Solche Vorfälle nähmen ihn in die Pflicht, den Kampf gegen die Drogenmafia fortzusetzen. Seit 2006 starben im Drogenkrieg 42 000 Menschen.

Die Staatsanwaltschaft nahm umgehend Ermittlungen auf; Polizisten errichteten Straßensperren an den Ausfallstraßen der Stadt. Zunächst waren die Hintergründe des Anschlags unbekannt. Spekuliert wurde über einen Raubüberfall, nicht gezahlte Schutzgelder oder Verbindungen der Eigentümer zu einem Drogenkartell. In Kasinos waschen die Drogenkartelle traditionell Geld.

Monterrey, einst die industrielle Vorzeigemetropole und die sicherste und reichste Stadt Mexikos, ist seit einigen Monaten Brennpunkt der Auseinandersetzungen verfeindeter Kartelle. Das Golfkartell und die Zetas liefern sich dort eine Schlacht um die Kontrolle von Drogenrouten. Seit Anfang des Jahres wurden Dutzende von Bars und Kasinos Opfer von Angriffen und Überfällen bewaffneter Kommandos. Auch das US-Konsulat und eine exklusive Privatschule waren Ziele der Banden. Immer mehr Firmen ziehen sich aus der Stadt zurück. Viele Geschäftsleute haben ihren Wohnsitz inzwischen auf die US-Seite der Grenze verlegt.

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