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Panorama: In großem Format

Der Verlagserbe Alexander Falk war einst ein Held der New Economy – jetzt wird ihm der Prozess gemacht

Das kleine Format lag ihm nicht, die Stadtpläne stieß er ab. Wo Alexander Falk, 34, auftaucht, ist vieles überdimensional. Die „Weather Girls“ auf seiner Party. Das Geflecht seiner „Distefora Holding“. Die 1,6 Milliarden Mark, die eine britische Firma für seine Internet-Fata-Morgana „Ision“ zahlte. Der Aktenberg der Staatsanwälte in Hamburg, die ihn jetzt anklagen. „Kursbetrug und Betrug in einem besonders schweren Fall“ werfen sie Falk vor. Zur Untersuchungshaft reiste der Millionär im Privatjet aus London an. Früher war Alexander Falk Teil der Hamburger Gesellschaft. Heute übt man Zurückhaltung, wenn von „Sascha“ die Rede ist.

Es geschah in der kurzen Goldgräberzeit der New Economy. PC-Netzwerk, Internet-Zugang, Designermöbel und flotte Sprüche aus dem Marketinglexikon reichten, um sich an der Börse zu behaupten. Manager jonglierten mit Aktienoptionen, Babyboomer machten sich über etablierte Dax-Firmen lustig. Wer bis zum Jahr 2000 verkaufte, hatte ausgesorgt. Wer einstieg, braucht heute einen Therapeuten, einen belastbaren Bankdirektor oder den Insolvenzverwalter.

Falk stieg 2000 aus. Er und seine sieben Mitangeklagten beschäftigen heute zwölf Verteidiger, damit dieser Ausstieg nicht mit zehn Jahren Gefängnis endet. In 2000 Aktenordnern haben die Staatsanwälte das zusammengetragen, was sie in der Hand haben, um den Betrugsvorwurf zu untermauern: Briefe, Mails, Protokolle. Allein 288 Seiten umfasst die Klageschrift. „Gigantisch, aufwändig, kompliziert“ nennt Hamburgs Gerichtssprecherin Sabine Westphalen das Verfahren, das am 2. Juni im Großen Saal der Wirtschaftskammer am Kapstadtring eröffnet werden soll. Falk und seine Leute sollen mit Scheingeschäften den Wert ihres Unternehmens manipuliert haben, um den Kaufpreis, den die britische „Energis“ im Dezember 2000 zahlte, in astronomische Höhen zu treiben. „Ich halte das Verfahren nicht für justiziabel“, sagt Falks Anwalt Gerhard Strate. „Die Staatsanwaltschaft wird diese Materialschlacht nicht bestehen.“

Falk hatte früher viele Fans. Seine Partys sind Legende. Spitzenkräfte seiner Firmen robbten für ihn im Survivaltraining durch Dänemarks Dünen; das weibliche Personal durfte schon mal barfuß in die Geschäftsräume. Der Multimillionär machte Wind und Kasse. „Dem Mann gelingt einfach alles“, schrieb die „Bunte“ 2000, als Falks größter Coup bekannt wurde: der Milliardendeal mit „Ision“. Zum Börsenstart kostet eine Aktie 130 Euro, die Briten zahlten noch rund 45. Heute steht das Papier bei 1,25 Euro. „Energis“ verlangt ganze 763 Millionen Euro Schadenersatz.

„Ision“, 1998 gegründet, machte sich als Provider mit Websites und E-Commerce einen Namen. Falk kaufte kleine Läden auf, um die Firma hübsch zu machen. Als der Neue Markt zum Sturzflug ansetzte, soll er Umsätze hin und her geschoben haben, um Börsenwarnungen zu vermeiden. Fremde Unternehmen soll Falk mit Aufträgen oder Kapital ausgestattet haben, damit diese dann „Ision“ Aufträge und Erfolgsmeldungen zuschanzten.

Vielleicht zum letzten Mal lässt Falk nun das Internet beben. „Tabula rasa – auf zum letzten Gericht“, lautet ein Schlachtruf in den Chaträumen der New-Economy-Opfer. Im Chat kursieren nicht ganz rechtsstaatliche Vorschläge zum Fall Falk: „Einsperren und den Schlüssel wegwerfen.“ Bis Ende April hat Anwalt Strate Zeit, die Vorwürfe schriftlich zu widerlegen. Er beklagt, dass die Ermittler ihm manche Information vorenthalten hätten. Ein Gutachten der Wirtschaftsprüfer BDO widerlege die Staatsanwaltschaft; lediglich ein Umsatz von 3,35 Millionen Euro sei fehlerhaft verbucht. Falk bestreite den Betrugsvorwurf und gehöre auf freien Fuß. Dies will Strate jetzt mit einer Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe erreichen. Das Oberlandesgericht hatte dies abgelehnt, wegen dringenden Tatverdachts und Fluchtgefahr.

Millionen nach Südafrika

Der BMW des Multimillionärs sowie die Segelyacht „Flica II“ wollten die Staatsanwälte bereits verkaufen. Von der „Vermögenssicherstellung“ habe man schließlich Abstand genommen, sagt Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger und verweist auf die Relationen. Ein Verkauf der Luxusspielzeuge wäre so, als wenn im Tierpark einer verkünden würde: „Wir haben hundert Elefanten im Angebot – und eine Fliege.“ Für 532 Millionen Euro hat die Staatsanwaltschaft Arrestbeschlüsse. Noch einen Tag vor seiner Verhaftung soll Falk zwölf Millionen Euro nach Südafrika transferiert haben. Ein Teil dieses Geldes soll nach seiner Verhaftung auf Konten seiner Ehefrau und der „Hornblower Fischer AG“ gelandet sein. Die Bank, deren Chef Falk werden wollte, geriet in die Insolvenz.

Bereits Pfingsten 2003 musste Falk seine Stadtvilla gegen den Knast tauschen. Dort wartet der Star des Neuen Marktes in einer Einzelzelle auf seinen Prozess; pro Tag darf er eine Stunde auf den Hof. Sollte es zum Prozess kommen, werde der „mindestens eineinhalb Jahre“ dauern, sagt Strate. 76 Zeugen, etliche aus dem Ausland, sollen gehört werden. Auch die „Energis“ hat ihre Schadensersatzklage mit viel Papier garniert. Auf einem Schriftstück haben die Briten Prozesskostenbeihilfe beantragt: Falks frühere Geschäftspartner sind längst pleite.

Günter Beling[Hamburg]

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