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Panorama: Indiens Weg zum Mond

Deutsche Forscher müssen weiter zuschauen

Jetzt auch noch Indien. Wenn alles klappt, ist der Staat bald die fünfte Nation, die eine Forschungssonde zum Mond geschickt hat – nach Russland, den USA, Japan und China. Am frühen Mittwochmorgen soll die Sonde an Bord einer Rakete vom Raumfahrtbahnhof Sriharikota abheben. Die deutschen Forscher sehen die Mission mit gemischten Gefühlen. „Es ist ein weiterer Fortschritt bei der Erkundung des Himmelskörpers“, sagt Harald Hiesinger von der Universität Münster. „Aber es ist schon eigenartig: Ein Schwellenland fliegt zum Mond, und wir als etabliertes Industrieland scheinen das nicht zu schaffen.“ Er meint die deutsche Mondsonde „Leo“ (Lunarer Explorations-Orbiter). Unter Führung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) hatten Planetenforscher ein Konzept für ein Fluggerät erstellt, das den nächstfliegenden Himmelskörper so genau erkunden würde wie keine Sonde zuvor. Es sollte die hiesige Wissenschaft und Wirtschaft gleichermaßen beflügeln.

In vier Jahren schon hätte die Forschungssonde abheben können. Aber „Leo“ wurde vom zuständigen Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) nicht in die Haushaltsverhandlungen eingebracht. Und ohne Finanzierungszusage kommt das Projekt nicht weiter.

Die indische Sonde hingegen ist startklar. „Chandrayaan“ heißt sie, das ist Hindi und bedeutet „Reise zum Mond“. Dort angekommen soll sie den Himmelskörper zwei Jahre lang umkreisen und ihn mithilfe mehrerer Messgeräte erkunden. So wird beispielsweise die Oberfläche vermessen, um eine dreidimensionale Karte des Mondes zu erstellen.

Mit an Bord ist auch ein Gerät, das am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPI) in Katlenburg-Lindau gebaut wurde. Es erfasst Strahlung mit Wellenlängen im nahen Infrarotbereich. Aus diesen Daten können die Forscher auf die chemische Zusammensetzung des Mondes schließen. „Mit unserem Messgerät können wir aber nur einzelne Punkte auf der Oberfläche analysieren“, sagt der MPI-Forscher Ulrich Christensen. Für Leo hatte sein Institut einen Sensor geplant, der in Echtzeit einen 50 bis 100 Kilometer breiten Streifen erfasst. „Mit dieser Technologie wäre es möglich, den gesamten Mond zu kartieren“, sagt Christensen. Solche Daten sind enorm wertvoll: Die USA, Russland und China wollen nach Möglichkeit noch vor 2020 bemannte Flüge zum Mond starten. Bei der Suche nach geeigneten Landeplätzen sind präzise Karten unerlässlich.

Wenn Deutschland Teile dieser Karten liefern könnte, würde das Land den großen Raumfahrtnationen auf Augenhöhe begegnen, machten vor kurzem gut 70 Planetenforscher in einer Petition an Bundestagsabgeordnete und Regierung klar. Übersetzt heißt das: Bei internationalen Kooperationen – etwa bei bemannten Flügen – würden die Chancen Deutschlands deutlich besser.

Vorausgesetzt, Leo hebt ab. Zwar hat die FDP-Bundestagsfraktion mittlerweile eine ressortübergreifende Lösung zwischen BMWi und Bundesforschungsministerium angeregt, die auch von der CDU und SPD unterstützt wird. Doch ob im kommenden Jahr tatsächlich die erste Tranche für das 350-Millionen-Euro-Projekt gezahlt wird, steht in den Sternen.

„Wir arbeiten weiter daran – in der Hoffnung, dass es doch noch Realität wird“, sagt Ralf Jaumann vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Nicht nur für die Wissenschaft, auch für die Raumfahrtindustrie steht viel auf dem Spiel. Andere Länder einschließlich der europäischen Raumfahrtorganisation Esa vergeben jedes Jahr Aufträge in Milliardenhöhe. „Um dort auch künftig dabei zu sein, müssen wir immer wieder zeigen, dass wir solche hochkomplexen Systeme bauen können“, sagt Jaumann.

Möglicherweise gelingt das bald weiteren Nationen. Harald Hiesinger jedenfalls will andere Raumfahrtagenturen kontaktieren, sollte aus Leo nichts werden. Sein Team arbeitet an einem Sensor, der unsichtbare Infrarotstrahlung in einem Bereich detektiert, den keine andere Mondsonde abdeckt. Damit ließen sich wichtige Minerale des Himmelskörpers erfassen, die wiederum dessen Entstehungsgeschichte entschlüsseln helfen. „Ich lasse unser Instrument lieber bei Indern oder Chinesen mitfliegen, als dass es am Boden bleibt“, stellt Hiesinger klar. Dann bestehe aber die Gefahr, dass die deutsche Technologie „gnadenlos abgekupfert“ werde. Ob es dazu kommt, wird der 6. November zeigen. Dann wird abermals über den Bundeshaushalt für 2009 diskutiert.

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