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Die Fischer von Jakarta fürchten um ihre Existenz, wenn die Bucht Jakartas abgeriegelt wird

© Goh Chai Hin/AFP

Indonesien: Ein Riesenwall soll Jakarta vor dem Meer retten

Das Meer holt sich Jakarta. Ein Riesenwall vor der indonesischen Küste soll helfen. Gekämpft wird um die Zukunft - gegen Korruption und den Einfluss der Islamisten. Unser Blendle-Tipp.

Unmöglich, das alles zu ignorieren, aber wer weiß, einen Versuch ist es wert. Also steht Novi Chen in der Mall und überhört erst mal alle Fragen. Die Frau steht da, rot gemusterte Schößchenbluse, schwarzer Rock und lächelt ihr Marketinglächeln, während ein paar Ecken weiter Besucher das preisgekrönte Masterplan-Modell eines der weltweit größten Architekturbüros, SOM, umrunden. Umgeben von künstlichem Meeresrauschen blicken sie auf das 160-Hektar- Projekt mit Wolkenkratzern, Eigenheimen, Kanälen, Jachtanlegern, Parks und Konzertsaal. Fotografieren aber ist strengstens verboten! Sobald jemand die Kamera zückt, greifen zwei resolute Wachmänner im Foyer ein. Fragen, nein danke. Nicht nach den aufgeschütteten Rudimenten der Insel direkt hinter den hohen Glasfassaden. Auch nicht nach dem Baustopp des Megaprojekts an der Bucht von Jakarta.

Ein heikles Thema - niemand will offen reden

Das Modell zeigt die Insel G, eine von zahlreichen künstlichen Inseln, die in der Bucht entstehen sollen. Insgesamt sieht der ambitionierte Entwicklungsplan aus indonesisch-niederländischer Zusammenarbeit eine riesige Schutzmauer gegen Fluten vor, kombiniert mit dem Bau einer kompletten neuen Stadt für zwei Millionen Menschen.

Die 30-jährige Novi Chen tritt vor dem hohen Tresen von einem Fuß auf den anderen. „Ich kann Ihnen ja eine Mail über Insel G schicken, es gibt noch keine Broschüre“, schlägt sie vor, um die Neugierigen abzuwimmeln. Novi Chen steht an ihrem Counter, weil sie die letzten „Green Bay“-Apartments hier im Haus verkaufen will. Nicht um Fragen zu Indonesiens umstrittenstem Bauprojekt zu beantworten.

Um Chens Nervosität verstehen zu können, hilft es, die Perspektive zu wechseln und sich die Sache von weiter oben anzusehen. Die sechste Etage der Baywalk Mall gibt den Blick frei auf das Desaster von Jakarta: linkerhand das Gewusel des Fischerhafens, vis-à-vis eine Sandbank, rechts ein neues Luxus-Stadtviertel. Das Ensemble widerstreitender Interessen ist wie das Sinnbild einer Krise, die weit über die Megacity und ihre Pläne hinausgeht. Der Ausgang des aktuellen Kräftemessens in der Hauptstadt könnte am Ende sogar darüber entscheiden, ob im Land mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt Toleranz für religiöse und ethnische Minderheiten eine Zukunft hat oder in Indonesien radikale Islamisten übernehmen.

Diani Dharma beteiligt sich am Protest gegen den christlichen Gouverneur.
Aktivistin. Diani Dharma beteiligt sich am Protest gegen den christlichen Gouverneur.

© Ingrid Müller

Es muss, das wissen alle, bald etwas passieren. Die Stadt im Norden Javas sinkt nach Angaben von niederländischen Ingenieuren Jahr für Jahr um bis zu 25 Zentimeter ab. Zum Vergleich: In Venedig sind es pro Jahr ein paar Millimeter. Da es keine anständige Wasserver- und -entsorgung für die rasant gewachsene Metropole mit ihren zehn Millionen Bewohnern gibt, pumpen Privatleute, aber auch Firmen Grundwasser aus eigenen Brunnen und höhlen so den Untergrund aus, warnen niederländische Experten, die den Plan mitentwickelt haben. Selbst wenn es der Stadt gelänge, die gefährliche Grundwasserentnahme zu stoppen, reiche die Zeit nicht mehr aus. Denn von oben drücken außerdem all die neuen Hochhäuser. Spätestens 2025 würden 80 Prozent des Stadtgebiets überflutet sein, wenn nicht auch die Sperrmauer, die „giant seawall“, errichtet werde, warnen Befürworter. Dass hier etwas mit Symbolkraft entstehen soll, zeigt schon die Form: Von oben sieht die neue Stadt aus wie der mythische Wappenvogel Garuda.

Umweltschützer hingegen fürchten Schlimmstes, wenn die Bucht mit einem 32 Kilometer langen Wall eingeschlossen wird. 13 Flüsse münden in die Bucht – zum Teil so schmutzig, dass sie sich schwarz wie Öl durch die Stadt schieben. Die Allianz der Gegner, zu der auch namhafte Wissenschaftler gehören, befürchtet, dass die Bucht zu einer Riesenkloake wird. Der Garuda sei nur geplant worden, weil sich der nötige Küstenschutz aus öffentlichen Mitteln nicht finanzieren lasse. Daher die Inseln, die an private Investoren verkauft werden können, sagen Kritiker.

Befürworter sehen in dem Vogel eine wunderbare Lösung für gleich mehrere Probleme...

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