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Zentrum des fatalen Geschehens. Vor dem Eingang des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsklinik Mainz. Foto: ddp

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Infektionsquellen: Dem Keim auf der Spur

Nach dem Tod des dritten Babys in Mainz suchen die ärztlichen Leiter die Quelle der Infektion.

Ärzte in weißen Kitteln eilen über die Gehwege. Auf Parkbänken sitzen Patienten in der Sonne und rauchen. Vor der Klinik für Geburtshilfe läuft eine hochschwangere Frau im Morgenmantel auf und ab. Auf den ersten Blick ein Tag wie jeder andere in der Mainzer Universitätsklinik. Ungewöhnlich ist das Journalistenaufgebot auf den sonst ruhigen Wegen, Passanten werden befragt. Alle sind erschüttert, niemand kann fassen, was da passiert ist. „Es ist ein Alptraum“, sagt eine junge Mutter, die gerade mit ihrem kleinen Sohn aus der Kinderklinik kommt. Schnell geht sie weiter. Eine schwangere Frau, die eigentlich im Oktober in der Uniklinik entbinden will, hat Angst.

Am vergangenen Abend starb hier ein Baby, mittlerweile das dritte. Es war ein Frühchen, das in der 24. Schwangerschaftswoche zur Welt kam. „Sehr klein und durch seine körperliche Unreife extrem gefährdet“, sagt Norbert Pfeiffer vom Medizinischen Vorstand der Universitätsklinik. Was er damit nicht sagen will ist, dass es vielleicht sowieso nicht überlebt hätte. Er lässt keine Zweifel aufkommen: „So etwas darf nicht passieren.“

Alle drei Babys starben, nachdem ihnen mit Darmbakterien verunreinigte Infusionen verabreicht wurden. Bei den Infusionen handelte es sich um Ernährungslösungen, die in der Apotheke der Uniklinik eigens für die Kinder hergestellt wurden. Darüber wie die Keime in diese Lösungen gekommen sind – es handelt sich um den Escherichia hermannii und den Enterobacter cloacae – herrscht auch am Dienstag noch Unklarheit. Und es ist auch nicht erwiesen, ob die Keime tatsächlich Ursache für den Tod der Kinder waren. Das müssen die Untersuchungen der Gerichtsmedizin in Frankfurt noch klären. Dorthin wurde nun auch der dritte Leichnam gebracht. Die Obduktion sollte im Laufe des Dienstags stattfinden.

Den Mainzer Klinikärzten, die vor der eilends einberufenen Pressekonferenz erschienen sind, sieht man an, wie mitgenommen sie sind. Professor Bernd Jansen, er ist Leiter der Krankenhaushygiene, scheint schon seit Tagen nicht mehr geschlafen zu haben: „Wir arbeiten mit Hochdruck, aber wir stehen vor einem Rätsel“, sagt Jansen. Er kann nicht erklären, wie es zur Verunreinigung der Lösungen kommen konnte. Immer noch ist die gesamte Kette vom Bezug der Infusionslösung bis zur Mischung im Verdacht. „Alle suchen fieberhaft nach dem Leck.“

Auch Professor Irene Krämer, die Direktorin der Apotheke, wirkt verstört. Im Reinraum der Apotheke wurden die Infusionen hergestellt, dort sollen sie womöglich kontaminiert worden sein. Das kann sie nicht glauben: „Wir haben alle Regeln eingehalten“, sagt sie immer wieder. Alle Mitarbeiterinnen seien gewissenhaft und erfahren, alle hätten ihre Hände desinfiziert, alle hätten Handschuhe getragen. „Wir sind führend auf diesem Gebiet“, betont die Wissenschaftlerin, die sogar selbst die geltenden Sicherheitsvorschriften für die Herstellung solcher Produkte mit erarbeitet hat und international anerkannt ist. Einen Systemfehler hält sie für ausgeschlossen. Die Ankündigung des Bundesgesundheitsministeriums, zusätzliche Regelungen für bessere Hygiene anstoßen zu wollen, hält Krämer nicht für zielführend: „Mit unserem Problem hier hat das überhaupt nichts zu tun.“ Klinikvorstand Norbert Pfeiffer pflichtet ihr bei, auch er warnt davor, die Diskussion über Krankenhaushygiene mit den Vorfällen in Mainz zu vermischen. „Wir haben es hier mit einem Problem beim Herstellungsprozess zu tun.“ Beim Thema Krankenhaushygiene gehe es aber um Infektionen im Krankenhaus.

Der Krisenstab an der Mainzer Uniklinik wird erst einmal weitertagen. Ergebnisse der Gerichtsmediziner erwartet man in den nächsten Tagen, die Suche nach der Fehlerquelle soll noch viel länger dauern. Wenigstens scheint die Gefahr weiterer toter Kinder gebannt zu sein: Bei den vier Säuglingen, die sich gestern noch in einem kritischen Zustand befunden haben, hat sich der Zustand über Nacht stabilisiert. Es sei nicht damit zu rechnen, dass es wegen der Keime zu weiteren Todesfällen kommen werde.

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