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Amstetten

© dpa

Inzest-Skandal: Die ganze Welt kennt seinen Namen

Sein Name ist öffentlich und seine Geschichte wird es nun nach und nach: Josef Fritzl soll als Sexualverbrecher vorbestraft sein – warum durfte er dann Pflegekinder aufnehmen?

Josef Fritzl hat seinen Namen bekommen, das passierte irgendwann im Laufe des Montags, tagsüber, als die Medien weltweit und beinahe im Stundentakt Neues über den beinahe unfassbaren Fall aus Amstetten in Niederösterreich berichteten. Über den Vater, der seine Tochter fast 30 Jahre sexuell missbraucht hat, sie 24 Jahre in einem Kellerverlies einsperrte, mit ihr Kinder zeugte und drei dieser Kinder bei der Mutter unter der Erde leben ließ. Zu Beginn der Berichterstattung, als noch die Unschuldsvermutung galt, wurde sein Name in den Medien noch abgekürzt, Josef F. hieß er da, doch spätestens zu dem Zeitpunkt, als durchsickerte, dass der Mann ein Geständnis abgelegt hatte, und die ersten ungeschwärzten Fotos von ihm auftauchten, änderte sich das.

Mittlerweile hat Fritzl nicht nur seinen Namen zurück, sondern auch noch eine Geschichte. Nachbarn berichteten den anwesenden Journalisten, dass Fritzl bereits vor vielen Jahren wegen eines Sexualdelikts verurteilt worden sei. Gleich zwei Versionen gibt es davon. Der einen Legende nach soll er Anfang der 70er Jahre im nahen Linz eine Frau vergewaltigt haben und dafür verurteilt worden sein. Nach der anderen Variante soll er bereits Ende der 60er Jahre in die Wohnung einer Frau eingedrungen sein und diese versucht haben, zu vergewaltigen. Die anonymen Belastungszeugen widersprechen sich, und Akten gibt es dazu nicht. In Österreich werden – ähnlich wie in Deutschland – getilgte oder abgesessene Strafen nach einiger Zeit gelöscht, auch die Anklageprotokolle wandern in so einem Fall in den Reißwolf, um Straftätern nach verbüßter Strafe einen leichteren Wiedereinstieg ins Leben zu ermöglichen. Darum kann heute auch die Polizei keinerlei Auskunft mehr geben, ob Fritzl tatsächlich bereits als Vergewaltiger aktenkundig geworden ist, oder nicht.

Der Leiter des ermittelnden Landeskriminalabteilung (LKA) Franz Polzer erklärte im Österreichischen Fernsehen lediglich, dass es „möglich sein kann, dass Fritzl vor vielen Jahren aktenkundig war. Wenn, dann muss das aber sehr lange zurück liegen.“ Gerade in diesem Fall wäre diese Frage aber tatsächlich wichtig – denn genau dadurch entscheidet sich, ob man den Behörden im Fall Fritzl einen Vorwurf machen kann oder nicht. Schließlich hatte Fritzl in den neunziger Jahren nicht nur ein Kind, das er mit seiner Tochter gezeugt hatte, adoptiert, sondern auch zwei weitere Kinder seiner Inzestbeziehung als Pflegekinder in seine Wohnung aufgenommen. Vom Land Niederösterreich kassierte er für die Betreuung der beiden Pflegekinder sogar Geld.

21 Besuche im Haus sind aktenkundig - nichts fiel auf

Wie bei Pflegefamilien üblich wurde die Familie auch von der Amstettner Jugendfürsorge wiederholt überprüft. Insgesamt 21 Besuche der Fürsorge im Haus sind aktenkundig. Dabei ist den Besucherinnen nichts aufgefallen. Doch sollte Fritzl tatsächlich vorbestraft gewesen sein, dann wäre diese Geschichte auch ein Skandal der Behörden: Wie kann man einem Sexualstraftäter Pflegekinder zuweisen? Noch dazu, wo auch die Geschichte, die Fritzl den Behörden über die Identität der Pflegekinder auftischte, aus heutiger Sicht unfassbar klingt.

Fritzl hatte ja einerseits erklärt, dass seine Tochter E., die er in Wahrheit im Keller eingesperrt hatte, vermisst sei. Trotzdem hätte seine Tochter die Kinder samt eines eigenhändigen Briefes vor der Haustüre in Amstetten deponiert. Die Amstettner Behörden machen sich heute freilich keinerlei Vorwürfe. Fritzl galt im Ort als liebenswürdiger und netter Mitbürger, seine Frau, die Großmutter der Kinder, habe sich rührend um die Enkelkinder gekümmert. Den Behörden reichte das.

Nach wie vor ungeklärt ist außerdem, ob Fritzl Mitwisser hatte. Bei den Verhören gab es dabei keine Hinweise. Doch ganz offensichtlich hatte Fritzl das Verlies für seine geheime Zweitfamilie in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter ausgebaut. Wie konnte das ohne Mitwisser passieren? Das Verlies selbst hatte er zwar in den Grundzügen bereits Ende der 70er Jahre angelegt. Der großflächige Umbau in seinem Garten wurde von der Amstettner Baupolizei 1978 bewilligt, die Erdaushubarbeiten auch kurz danach durchgeführt. Doch wie konnte Fritzl beispielsweise – alleine! – eine 300 Kilogramm schwere Stahltüre montieren, ohne fremde Mithilfe? Zum Zeitpunkt dieser Montage war E. Fritzl bereits von ihrem Vater eingesperrt. All diese Fragen will die Polizei demnächst beantworten. Erst dann ist klar, ob der 73-Jährige, den jetzt die ganze Welt mit Namen kennt, tatsächlich ein Einzeltäter war.

Markus Huber[Wien]

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