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Berlusconi

© dpa

Italien: Berlusconi, die Politik und die jungen Frauen

Er bleibt im Fokus der Presse: El País veröffentlicht mehr pikante Bilder von Silvio Berlusconis Anwesen in Sardinien - und eine Attacke des Literatur-Nobelpreisträgers Jose Saramago.

El País

macht weiter. Am Sonntag veröffentlichte das spanische Blatt online noch einmal zwei Bilder von Silvio Berlusconi mit jungen Frauen, heute sind sie in der gedruckten Zeitung zu sehen. Am Freitag schon hatte El País Diskussionen ausgelöst. Nicht ein Revolverblatt, sondern die seriöse Zeitung hatte als erste in Europa fünf der teilweise sehr pikanten Bilder veröffentlicht, die von Berlusconis Luxusvilla Certosa auf Sardinien aufgenommen wurden. Damit bekommt das Privatleben des italienischen Regierungschefs eine politische Dimension, die es anderswo nicht bekommen hätte.

Der 72-jährige Silvio Berlusconi hatte zuvor in Italien Hunderte von Fotos des sardischen Paparazzo Antonello Zappadu beschlagnahmen lassen. Nun sind einige von ihnen doch an die Öffentlichkeit und zurück nach Italien gelangt. Unter den beschlagnahmten Bildern sollen Schnappschüsse von einer Party sein, zu der auch die damals 17-jährige Schülerin Noemi Letizia eingeladen gewesen war, deren Nähe zu Berlusconi in Italien einen Skandal ausgelöst hatte. Berlusconi schwört, kein Verhältnis mit Minderjährigen gehabt zu haben. Und er sprach vor der Europawahl am Wochenende von einem Komplott der Opposition und linker Zeitungen.

Berlusconis Anwalt Niccolò Ghedini kündigte umgehend an, die spanische Zeitung verklagen zu wollen. Berlusconi habe die Veröffentlichung der Fotos nicht erlaubt, sie verletzten seine Privatsphäre. Die veröffentlichten Bilder zeigen unter anderem barbusige Frauen bei einem Sonnenbad an einem Jacuzzi. Bis auf das Gesicht Berlusconis hat Zappadu die Konterfeis auf den Fotos unkenntlich gemacht.

In Deutschland interessiert zu Recht niemanden, mit wem Angela Merkel schwimmen geht. Warum sollte uns Berlusconis Privatleben interessieren? Sollte man diese Storys nicht den Klatschblättern überlassen? Nein, meinte die italienische La Repubblica, als sie die vermeintliche Affäre Berlusconi mit der minderjährigen Noemi Letizia zum Dauerthema machte. Nein, meint auch El País. Die Zeitung  traute sich nicht nur, derartige Bilder zu veröffentlichen. Heute waren sie neben einem Text des Literatur-Nobelpreisträgers José Saramago mit dem Titel "La cosa Berlusconi" zu sehen.

Saramago beschreibt darin mit drastischen Worten den Zusammenhang zwischen Berlusconis Politik und seinem Privatleben. Er geht so weit, die Grundwerte des menschlichen Zusammenlebens in einer der reichsten Kulturnationen gefährdet zu sehen. Die "Cosa Berlusconi" sei ein "gefährliches Ding, einem menschlichen Wesen ähnlich, das Feste gibt, Orgien organisiert und ein Land befehligt, das Italien heißt." Dieses Ding, diese Krankheit, dieses Virus drohe, den moralischen Tod des Landes von Verdi und Garibaldi herbeizuführen.

Erst vor einer Woche berichtete Saramago, dass sein neuestes Buch vom renommierten italienischen Verlag Einaudi nicht gedruckt würde, weil Berlusconi darin als Verbrecher bezeichnet wird. In seinem Text in El País erläutert Saramago, warum er dieses harte Wort weiter verwendet. Es ginge nicht nur darum, dass der italienische Staatschef Gesetze missachte, so wie das Lexikon Verbrechen definiert. Es sei schlimmer, denn er stelle die Gesetze selbst her zum Schutz seiner eigenen publizistischen, privaten, unternehmerischen und politischen Interessen.

Deshalb sollen wir uns die Affären und Partybilder doch anschauen, weil die Grenze nicht mehr zu erkennen ist. Partys mit nackten Mädchen und politisches Machtgebaren sind zwei Seiten derselben Medaille. Es geht allein um die Macht eines Einzelnen, Berlusconi tut alles für sich selbst. Doch ein wenig Hilflosigkeit steckt auch in den Attacken von Repubblica und El País. Warum kann man die Italiener nicht mit politischen Argumenten überzeugen? Warum wählen sie nicht jemand anderen?

Denn auch die Bilder und seine Frauenaffären haben Silvio Berlusconi immer noch nicht richtig geschadet. Seine Partei "Volk der Freiheit" verlor nur leicht in der Europawahl. José Saramago hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Er wünscht sich einen heftigen Kotzanfall für die Italiener. Dazu muss man sie offensichtlich noch mit vielen Fotos füttern.

ZEIT ONLINE, dpa

Parvin Sadigh

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