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Panorama: Italien ruft

Am Samstag kehren die Savoyer aus dem Exil zurück. Anwälte verhandeln noch über die Rückführung ihres Besitzes

Sie werden erwartet. Konditoreien entwerfen bereits Königstorten mit dem Wappen der Savoyer und der junge und gut aussehende Emanuele Filiberto, Sohn von Vittorio Emanuele und Marina Doria, ist zu einer neuen Figur der traditionellen Krippenschnitzer in der Via San Gregorio degli Armeni geworden. Die Nachricht, dass sich Vittorio Emanuele, Sohn des letzten Thronfolgers auf dem italienischen Königsthron, und seine Familie in der Stadt unter dem Vesuv niederlassen wollen, erfüllt die Neapolitaner mit großem Stolz.

Am Samstag werden sie kommen. In Neapel wird die ehemalige Königsfamilie mit diversen Festen begrüßt werden. Italiens Adel hat sich auf das große Ereignis vorbereitet und ist angereist. Paparazzi werden sich zu Hunderten einfinden, wenn die dreiköpfige Familie die Vesuvstadt betreten wird.

Die Savoyer haben ihren Namen von einer historischen Region in den französischen Alpen. Sie ist das Stammland des von 1861 bis 1946 regierenden italienischen Königshauses. Die Savoyer spielten seit dem frühen 18. Jahrhundert eine bedeutende Rolle in der italienischen Geschichte. Erst mit der italienischen Staatseinigung wurden sie zu Königen. Nach einer Volksabstimmung 1948 entschied sich eine Mehrheit der Italiener für eine parlamentarische Republik ohne König. Grund dafür war die politische Verstrickung der Familie mit dem italienischen Faschismus. Ihr Exil führte sie zunächst nach Portugal und dann an den Genfer See in die Schweiz. Von dort aus beweinten sie die Tatsache, ihre Heimat nicht mehr sehen zu dürfen. Und sie klagten: Gegen die Politiker, die ihre Heimat regieren. Beim europäischen Gerichtshof für Menschenrechte legten sie vor wenigen Jahren gegen Italien Klage ein. Dieses Land, so argumentierten sie, hindere sie am Recht auf freie Reisemöglichkeit.

Ministerpräsident Silvio Berlusconi kam einem Urteil des Gerichtshofs für Menschenrechte zuvor. Eine parlamentarische Mehrheit änderte bereits im letzten November die Verfassung. Doch warum kamen die Savoyer nicht sofort nach Italien? Warum mussten erst fast fünf Monate vergehen? Bis auf eine zweistündige Blitzvisite bei Johannes Paul II. haben sich Vittorio Emanuele, Marina Doria und Emanuele Filiberto in Italien noch nicht sehen lassen. Sprössling und Damenliebling Emanuele Filiberto ist derzeit nur auf italienischen Fernsehbildschirmen zu sehen. Dort wirbt er mit charmantem Lächeln für Tiefkühlfisch.

Wochen fragten sich Italiens Medien und Bürger nach dem Grund für das Ausbleiben jener Familie, die jahrelang Krokodilstränen nach der Heimat weinte. Der Grund für dieses Ausbleiben war Geld. Geld in Form von Immobilien und Schmuck. Viel teurem Schmuck. Kronschmuck, der nach der Ausweisung der ehemaligen Königsfamilie beschlagnahmt wurde und seitdem in den Sicherheitsverliesen der Nationalbank ruht.

Zu Unrecht ruht und sich viel besser am Hals von Marina Doria machen würde, argumentieren Anwälte der Familie Savoya. Sie sollen sich seit einiger Zeit in Rom aufhalten, wollen Tageszeitungen herausgefunden haben. Mit Repräsentanten der Regierung sollen diese Anwälte über eine Rückführung ehemaligen Savoyerbesitzes in die Hände der Nachfahren verhandeln. Eine Rückführung, die es in sich haben könnte.

Schließlich geht es nicht um Kinkerlitzchen. Vor allem in der nordwestlichen Region Italiens, im Piemont, besaßen die Savoya zahlreiche Schlösser. Diese befinden sich heute in Staatsbesitz. Auch das dutzende von Hektar große Landgut des italienischen Staatspräsidenten am Meer bei Rom gehörte einmal den Savoyern. Hier residierten sie im Sommer. Sämtliche Immobilien sind, so heißt es aus gut informierten Kreisen, Gegenstand von Gesprächen zwischen den Repräsentanten der Savoyern und der Regierung. Auch wenn es auf der Hand liegt, dass die ehemalige Königsfamilie nur einen Bruchteil dieser Immobilien zurückerhalten könnte, wird es sich doch auf jeden Fall um große Euro-Summen handeln. Ein anderer Streitpunkt betrifft verschiedene Ordensgemeinschaften. Die Savoyer haben im Exil sogenannte dynastische Ordensgemeinschaften gegründet. Das heißt, sie vergeben königliche Orden an ausgesuchte Persönlichkeiten. Diese Ordensträger werden automatisch Mitglieder einer Gemeinschaft, einer Vereinigung, für die jährlich hohe Jahresgebühren aufgebracht werden müssen. Gebühren, die in die Kassen der Familie Savoyer fließen.

Italiens Verfassung verbietet aber ausdrücklich dynastische Ordensgemeinschaften sowie die Möglichkeit der Vergabe von Orden durch Privatbürger. Sollten die Savoyer auf diese Einnahmequelle verzichten, dann würde das ihrem Budget gar nicht gut bekommen. Der Mythos der ins Ausland verbannten und deshalb trauernden Königsfamilie leidet, seit diese Hintergründe bekannt wurden. Dass sie ihre Winterferien nicht in den italienischen Alpen, sondern auf Kuba und in den französischen Bergen verbrachten, auch das schadete ihrem Image. So sehr, meint der römische Historiker Rosario Villari, „dass sie auch gleich ganz im Ausland bleiben können“.

Thomas Migge[Rom]

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