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Azzurro und Alpenpanorama weiß-blau: Italiens Premier Renzi in Elmau (rechts) mit IWF-Chefin Christine Lagarde und US-Präsident Obama.

© Michael Kappeler/AFP

Italien und G 7: Bayern weiß-azzurro - Protest in Italien

Beim Empfang von Ministerpräsident Renzi vorm G-7-Gipfel spielte die Trachtenkapelle die heimliche Nationalhymne statt der richtigen. Womöglich ist Seehofers Staatskanzlei schuld an der Aufregung, die es darum in Italien gibt.

Nicht nur mit Landschaft, Weißwurst und Weißbier hat sich Bayern seinen Gästen aus aller Welt am vergangenen Wochenende empfohlen. Gleich am Flughafen, am Fuße der Gangway schon, wurde ihnen bayerisches Kulturgut zu Gehör gebracht. Die jeweiligen Empfangsständchen spielte, die Herren mit Gamsbart, die Damen in Tracht, ein paar Stunden lang eine echt oberbayerische Brass Band, hier Blaskapelle, die Stadtkapelle Freising.

Die Musiker hätten um ein Haar eine diplomatische Krise zwischen den EU-Gründerländern Deutschland und Italien ausgelöst. Für Ministerpräsident Matteo Renzi nämlich intonierten die Oberbayern "Azzurro", den Song, mit dem Italiens ewiger Nationalsänger Adriano Celentano 1968 einen seiner größten Hits landete. Geschrieben hat "Azzurro" (Himmelblau) Paolo Conte, das Lied gilt als heimliche Nationalhymne. In hellem Blau läuft auch Italiens Nationalmannschaft auf, die "squadra azzurra", und für Italiens Parteiembleme, rechts wie links, ist die Farbe in den letzten Jahren sehr in Mode gekommen.

Südtiroler sauer

Doch in Italien brachte das Ständchen am Flughafen in München einige stark in Rage - wie so oft, wenn die große EU-Schwester im Norden im Spiel ist, mit der man ausweislich aller deutsch-italienischen Festreden doch die ungetrübtesten aller Beziehungen pflegt: "Sie verarschen uns", empörte sich etwa eine Internetseite: "Renzi wird auf dem Gipfel mit "Azzurro statt mit der Hymne empfangen!" "Eine Schande, die Würde Italiens wird beleidigt" empörte sich ein Landsmann auf Twitter. Aber nicht nur die Empfindlichkeiten stramm Nationaler waren getroffen, das Stichwort "Mameli-Hymne" brachte gleich die innere Opposition in solchen Fragen auf den Plan. Die Südtiroler Website "unsertirol24.com" empörte sich ihrerseits über "die Italiener", die die "kriegsverherrlichende Hymne Fratelli d'Italia" bevorzugt hätten und zitierte genüsslich deren - freilich wenig bekannte - fünfte Strophe. Dort wird dem "österreichischen Adler" vorgeworfen, er habe "das Blut Italiens, das Blut Polens getrunken", zusammen übrigens, so weiter im Hymnentext, mit "dem Kosaken".

Warum nicht gleich "Der Pate"?

Südlich von Südtirol fanden einige Landsleute die Begrüßung mit "Azzurro" eher zu harmlos. Die Blechbläser aus Freising hätten doch passenderweise lieber die Titelmusik aus "Der Pate" spielen sollen, um Italiens Regierungschef zu empfangen, meinten sie. Vielleicht habe man auch einfach Angst gehabt, Renzi kenne die Nationalhymne gar nicht. Schließlich griff sogar der Premier selbst ein: Der Streit um "Azzurro" sei lächerlich - was hätten die Leute eigentlich gegen Adriano Celentano und Paolo Conte? Ob ihnen "Cantare, volare" - ein noch älterer Hit - lieber gewesen wäre? Im übrigen hätten alle Kolleginnen und Kollegen ein Ständchen mit "typischer" Musik bekommen.

Obama den Marsch geblasen

In der Tat: Sie war eben kein offizieller Empfang, die Folklore-Zeremonie am Münchner Flughafen. Ministerpräsident Horst Seehofer hatte eigens betont, Bayern sei nur Gastgeberland, die wahre Gastgeberin sei die Kanzlerin. Die Freisinger hatten entsprechend für keinen Regierungs- und Staatschef Staatstragendes im Programm, sondern Populäres: Für Francois Hollande stimmten sie "Champs Elysées" an, Joe Dassins 45 Jahre alten Ohrwurm, für den US-Präsidenten den "Washington Post"-Marsch. Die Empörung in Italien hatte allerdings womöglich einen verständlichen Grund: Im Video, das Bayerns Staatskanzlei verbreitete, war den Bildern von Obama, der aus der Air Force One kletterte, eine Konserve der US-Hymne unterlegt worden, der später einsetzende Marsch blieb ungehört.

"Haben wir da eine Staatskrise ausgelöst?"

Dem musikalischen Fotoshopping von Seehofers Leuten verdanken die Freisinger Musikantinnen und Musikanten nun etwas europäischen Ruhm, den man an Ort und Stelle offenbar genoss: "Bitte übersetz mal", forderte einer der Münchner auf Facebook einen offenbar italienischsprachigen Freund auf. "Haben wir da eine Staatskrise ausgelöst?"

Das wohl nicht, eher einen der periodischen Ausbrüche dessen, was unter der Oberflächen der deutsch-italienischen Musterbeziehungen (auch) verborgen liegt: Misstrauen und Minderwertigkeitsgefühle gegen die Teutonen. Die Entsprechung auf deren Seite heißt etwa ebenso oft Geringschätzung und Vorurteil.

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