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Das japanische Verkehrsministerium veröffentlicht knapp zwei Wochen nach der Katastrophe ein Bild des Tages, an dem der Tsunami das Atomkraftwerk Fukushima traf.

© dpa

Japan: Die nächste Panne in Fukushima

Das japanische Verkehrsministerium hat ein Foto veröffentlicht, das den Tag des Tsunamis am Akw Fukushima zeigt. Die neueste beunruhigende Nachricht: Drei Arbeiter wurden bei Kabelarbeiten im Kraftwerk verstrahlt - die Kritik am Betreiber Tepco wächst.

Tokio - Männer mit Atemschutzmasken und Gummihandschuhen hasten durch die Dunkelheit. Im Lichtkegel von Taschenlampen arbeiten sie sich an den Reaktor heran, aus dem unablässig radioaktive Strahlung kommt. Die Videobilder während eines Einsatzes im Unglücksreaktor von Fukushima, die das japanische Fernsehen zeigte, wirken wie aus einem düsteren Science-Fiction-Film. Es sind Momentaufnahmen des täglichen Horrors, dem die Männer in Fukushima ausgesetzt sind. Am Donnerstag dann die Schreckensnachricht: Drei der Männer, deren Namen niemand kennt, bekamen während Kabelarbeiten eine Überdosis an gefährlichen Strahlen ab, zwei wurden sofort in die Klinik gebracht. Die Nation ist geschockt. Wie konnte das passieren?    Während das japanische Fernsehen am Abend Bilder vom Eintreffen des Krankenwagens zeigt, von dem aus die an ihren Beinen verbrannten Männer abgeschirmt hinter blauen Plastikplanen ins Krankenhaus gebracht werden, gehen Kommentatoren ungeheuerlichen Verdachtsmomenten nach: Der Vermutung, dass die Männer, die von ausländischen Medien als „Helden“ gefeiert werden, in Wahrheit von ihren Auftraggebern schlimmsten Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind und dabei ihr Leben riskieren. So sei das Turbinengebäude, in dem die drei Männer Kabelarbeiten durchführen sollten, lediglich am Vortag auf Strahlung gemessen und für unbedenklich erklärt worden, nicht aber am Tag ihres Einsatzes. Ohne also zu wissen, welche Strahlenbelastung sie erwartet, stiegen die Männer ins Tiefgeschoss.

Fest steht, dass sie dort in radioaktiv verseuchtem Wasser stehen mussten, um zu arbeiten. Sie hatten zwar Schutzanzüge an, aber laut Medien keine langen Stiefel. Das Wasser stand nach Angaben des japanischen Fernsehens 15 Zentimeter hoch. Es lief den Männern von oben in die Schuhe, wodurch sie sich die schweren Verbrennungen an den Beinen zuzogen. „Der Vorfall wirft Zweifel an der Sicherheitsüberwachung auf“, erklärte ein Kommentator des japanischen TV-Senders NHK. Zweifel, die die skandalumwitterte Betreibergesellschaft Tepco schwer belasten. So wird der Konzern, der in der Vergangenheit jahrelang Schäden an Akws vertuscht hatte, verdächtigt, schlecht ausgebildete Arbeiter eingesetzt zu haben.

Einige der Hunderte von Arbeitern, die seit Tagen in der Atom-Hölle von Fukushima gegen den unsichtbaren Strahlenfeind kämpfen und das havarierte Akw unter Kontrolle bringen sollen, waren von Vertragsunternehmen von Tepco angeheuert worden. Im japanischsprachigen Internet findet sich eine Stellenausschreibung eines Unternehmens für Arbeiten im Kernkraftwerk in Fukushima. Ausbildungsanforderungen: keine, heißt es dort.

In der größten japanischen Tageszeitung „Yomiuri Shimbun“ erzählt ein Mann, der seit 30 Jahren in Akws „im ganzen Land“ arbeitet und von einem Vertragspartner von Tepco angeheuert worden sei, wie er nach dem Erdbeben zunächst mit seiner Familie in einem Notlager unterkam. Dann jedoch habe ihn sein Arbeitgeber gerufen, er werde in dem havarierten Akw benötigt. Da habe er nicht „nein“ sagen können. Ein anderer Mann berichtet in der Zeitung „Mainichi Shimbun“: „Wenn ich den Einsatz ablehne, würde ich in eine schlechte Lage geraten.“ Er brauche den Job. „Ich möchte weiter für das Unternehmen arbeiten und so weit wie möglich das tun, was man mir sagt.“  

Die Männer arbeiten teilweise in völliger Dunkelheit, umgeben von Trümmern, umgestürzten Autos und herumliegenden Rohren. Sie wechseln sich im Schichtbetrieb ab, um der Strahlung nicht zu lange ausgesetzt zu sein. „Es ist eine Arbeit, die viel Zeit und Vorsicht erfordert“, wird ein Sprecher von Tepco zitiert. Die Frage ist nur, wie viel Vorsicht man walten lässt. Die Arbeiter sollen mit Strahlenmessgeräten ausgerüstet sein, die Alarm geben, wenn ein kritischer Wert erreicht wird. Wie aber konnte es dann sein, dass die Männer in dem Turbinengebäude so hoher Strahlung ausgesetzt waren, fragen Kommentatoren. Funktionierten die Geräte nicht oder waren sie falsch angebracht? Ein Sprecher der Regierung sagte, es sei ein Fehler gewesen, im Wasser zu arbeiten. Andere Arbeiter würden nun aufgeklärt, damit das nicht wieder passiere. (dpa)

Lars Nicolaysen

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