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Die Situation der Erdbeben- und Tsunami-Opfer in Japan bleibt schwierig.

© Reuters

Japan: Tsunami-Opfer in schwieriger Lage

Kälte und Regen erschweren die Situation in den Notunterkünften der Erdbeben- und Tsunami-Opfer in Japan. Die Gefahr im havarierten Atomkraftwerk Fukushima ist nicht gebannt. In der Umgebung sind Milch und Blattgemüse verstrahlt.

Zehn Tage nach Erdbeben und Tsunami harren noch 350 000 Menschen in Notunterkünften aus. Zehntausende verbrachten eine weitere Nacht in bitterer Kälte und Regen. Wegen des schlechten Wetters sagte Ministerpräsident Naoto Kan einen geplanten Hubschrauberflug in das Katastrophengebiet am Montag ab.

„Wie lange wird das bloß noch andauern“, sagte ein alter Mann dem japanischen TV-Sender NHK. Er verbrachte die Nacht zum Montag mit seiner Frau im Auto. „Was ich mir wünsche, ist eine Behelfsbehausung. Und ein Bad.“ Zwar treffen allmählich Hilfsgüter ein und die Reparaturarbeiten unter anderem an den Gas- und Wasserleitungen sind im Gange, doch vielerorts mangelt es an Heizöl und Öfen.

Am havarierten Atomkraftwerk Fukushima Eins setzten die Einsatzkräfte die Kühlung von beschädigten Reaktoren mit Wasserwerfern fort. Feuerwehrmänner und Soldaten der japanischen Streitkräfte besprühten erst den Reaktorblock 3, später dann Block 4. Zur Unterstützung des Einsatzes schickte die Baufirma Chuo Kensetsu aus der Präfektur Mie drei Mitarbeiter mit zwei Spezialfahrzeugen zu der mehrere hundert Kilometer entfernten Anlage. Sie sollen dabei helfen, Wasser auf das beschädigte AKW zu sprühen.

Im Reaktorblock 2 richten sich die Bemühungen darauf, nach der Wiederherstellung der Stromversorgung zentrale Funktionen im Kontrollraum in Gang zu bringen: zunächst die Beleuchtung und dann vor allem die reguläre Kühlung des Reaktors und des Abklingbeckens für abgebrannte Kernbrennstäbe. Die dafür erforderlichen Arbeiten könnten zwei bis drei Tage dauern, sagte Hidehiko Nishiyama von der Atomsicherheitsbehörde (NISA).

Die Behörden bereiteten den Einsatz von gepanzerten Fahrzeugen der Streitkräfte vor. Damit sollen in unmittelbarer Umgebung der Reaktorblöcke strahlende Trümmerteile beseitigt werden.

Die Kühlsysteme brachen nach dem Erdbeben und dem Tsunami vom 11. März zusammen. Bei mehreren Wasserstoffexplosionen wurden die Reaktorgebäude von Block 1, 3 und 4 erheblich beschädigt; in Block 2 wurde vermutlich der innere Reaktorbehälter beschädigt. Bei dem Unglück traten erhebliche Mengen Radioaktivität aus. Ein Gebiet im Umkreis von 20 Kilometern rund um das Atomkraftwerk Fukushima Eins wurde evakuiert.

Die Entsorgung der Reaktoren könnte nach Einschätzung eines Experten bis zu zehn Jahre dauern. Das berichtete die Zeitung „Asahi Shimbun“ am Montag in ihrem Facebook-Profil und berief sich auf einen Informanten des AKW-Betreibers Tepco. Wegen radioaktiver Strahlung sei es sehr wahrscheinlich, dass die beschädigten Brennelemente in den Reaktordruckbehältern der Blöcke 1,2 und 3 nicht abmontiert werden könnten, sagte der Informant der Zeitung.

Von den verbliebenen Arbeitern im havarierten Atomkraftwerk muss nach Einschätzung des Strahlenbiologen Edmund Lengfelder jeder zweite mit dem Strahlentod rechnen. „Wenn eine Gruppe von zehn jüngeren Leuten zwölf Stunden einer solchen Dosis Leistung ausgesetzt ist, werden 50 Prozent davon, also fünf Männer, den akuten Strahlentod sterben“, sagte Lengfelder der „Frankfurter Rundschau“ (Montag). Diesen Menschen werde zunächst schwindelig, dann brächen lebenswichtige Funktionen zusammen. Bei der anderen Hälfte der Männer sinke die Leistungsfähigkeit und „ihr Krebsrisiko steigt massiv“, sagte der Wissenschaftler.

Lengfelder warnte zudem vor den Folgen der radioaktiven Verstrahlung im Pazifik. Die Nuklide würden von Fischen und anderen Meerestieren aufgenommen und gelangten über die Nahrungskette wieder zum Menschen. Dies sei fatal für die Japaner, die sich überwiegend von Fisch ernährten. „Nie wieder Sushi, könnte man sagen“, meinte der Strahlenbiologe.

Die Radioaktivität aus Fukushima belastet zunehmend die Landwirtschaft in der Umgebung. In mehr als 100 Kilometer Entfernung wurde in Spinat radioaktives Jod gemessen, dessen Menge den Grenzwert um das 27-fache übersteigt. Die Behörden haben die betroffenen Gemeinden aufgerufen, verstrahlte Lebensmittel nicht in den Handel zu bringen.

Bei Hitachi, 100 Kilometer südlich des Kraftwerks, wies Spinat einen Jod-131-Wert von 54 000 Becquerel und einen Cäsium-Wert von 1931 Becquerel je Kilogramm auf. Die Grenzwerte liegen in Japan bei 2000 Becquerel für Jod und bei 500 Becquerel für Cäsium. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt allerdings einen generellen Grenzwert von nur 100 Becquerel pro Kilo. Auch bei Milch aus der Umgebung von Fukushima wurde eine überhöhte Strahlenbelastung festgestellt. In der Präfektur Tokio und in weiteren Regionen wurde eine geringe Belastung des Trinkwassers mit radioaktivem Jod festgestellt.

Die Bauern sollen freiwillig darauf verzichten, verstrahlte Lebensmittel in den Handel zu bringen. Der Gouverneur der Präfektur Ibaraki, Masaru Hashimoto, sagte nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Kyodo, es bestehe zwar kein Gesundheitsrisiko. Er werde aber jede Kommune bitten, keinen Spinat auf die Märkte zu bringen. Die Regierung der Präfektur Fukushima forderte Molkereien auf, keine belastete Milch auszuliefern.

Die Naturkatastrophe vom 11. März ist das größte Unglück in der Geschichte Japans seit dem Zweiten Weltkrieg. Mindestens 8649 Menschen kamen bei dem Erdbeben der Stärke 9 und dem nachfolgenden Tsunami nach Polizeiangaben ums Leben. 13 262 gelten offiziell als vermisst. (dpa)

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