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Panorama: „Je länger wir warten, desto teurer wird es“

Der britische Regierungsberater Nicholas Stern hat die wirtschaftlichen Kosten des Klimawandels berechnet – und die des Nichtstuns

Sir Nicholas, kommende Woche fahren Sie nach Nairobi und unterrichten die UN-Klimakonferenz über Ihre Berechnungen der ökonomischen Folgen des Klimawandels. Was werden Sie den Delegierten sagen?

Was in meinem Bericht steht: Dass wir versuchen müssen, die Kohlendioxid-Konzentrationen (CO2) in der Atmosphäre so zu stabilisieren, dass die globale Durchschnittstemperatur nicht um mehr als zwei Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung steigt. Um dies zu schaffen, müssen wir sehr schnell handeln. Wenn die Temperatur noch weiter ansteigt, sind die Folgen unabsehbar, vor allem in den armen Ländern, wo die Wirkungen als Erstes zu spüren sind. Ganze Landstriche werden vernichtet. Je länger wir warten, desto teuerer wird es. Handeln wir jetzt, beträgt der Wachstumsverlust bis 2050 vielleicht ein Prozent. Machen wir weiter wie bisher, büßen wir um die 20 Prozent Wachstum ein.

Wie viel Zeit haben wir noch?

Es geht darum, die Risiken zu reduzieren. Wie viel Zeit? Wir sind bereits bei 0,7 Grad Erwärmung mit steigender Tendenz. Wenn wir in den kommenden zehn Jahren nicht wirklich hart handeln, wird es sehr schwer werden.

Haben wir international die richtigen Strukturen und Mechanismen dafür?

Wir kommen dahin. Wir brauchen mehr, aber wir machen Fortschritte. Das Klimaschutzabkommen von Kyoto ist sehr hilfreich. Der EU-Emissionshandel ist sehr wertvoll, die von den USA angestoßene asiatisch-pazifische Technologiepartnerschaft ist ein anderes Instrument, das hilft. Wir müssen all dies ausbauen und verstärken. Europa kann dabei eine Führungsrolle spielen. Unser Emissionshandelsystem ist das effektivste und umfassendste der Welt. Europa ist auch stark im technologischen Bereich, und wir brauchen sehr viel neue Technologie. Deutschland ist stark in Sonnen- und Windenergie. Wir brauchen aber mehr, auch die Atomenergie muss eine Rolle spielen. Und am allerwichtigsten ist die Kohlenstoffabscheidung bei der Kohleverbrennung. Indien, China, Australien, die USA – alle haben viel Kohle und werden diese auch zur Stromerzeugung einsetzen. Kohle ist am gefährlichsten im Hinblick auf CO2 – deshalb ist die Abscheidungstechnologie so wichtig. Auch hier kann Deutschland eine Führungsrolle spielen.

Deutschland übernimmt die Präsidentschaft der EU und der wichtigsten Industriestaaten und Russland (G 8). Was sollte Berlin tun, um die Sache voranzubringen?

Deutschland hat versprochen, den Klimawandel zu einer Priorität zu machen. Das ist das Wichtigste. Wir dürfen die internationale Dynamik in diesem Prozess nicht verlieren, sonst riskieren wir, dass das Handlungsfenster, das wir jetzt haben, sich ungenutzt schließt. Dann ist ein wichtiger Punkt die Entwicklungshilfe. Viele der armen Länder werden als Erste und am härtesten vom Klimawandel getroffen. Alle Länder müssen sich den Veränderungen anpassen, aber für diese Länder ist es am schwierigsten, und sie brauchen zusätzliche Hilfe. Deutschland und die anderen EU-Länder haben versprochen, 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung bis 2015 für die Entwicklungshilfe zu geben, und es ist wichtig, dass diese Zusagen erfüllt werden.

Es gibt eine etwas ideologische Debatte, ob wir mehr staatliche Regulierung brauchen oder ob Marktmechanismen die Emissionen drücken können. Wo stehen Sie?

Ich habe da keine besondere Meinung, das hängt von den Umständen, vom Land, von den einzelnen Problemen ab. Sicher ist, dass wir starke Preisanreize brauchen. Unternehmen brauchen wirtschaftliche Anreize, um auf kohlenstoffarme Technologien umzustellen. Es handelt sich hier um langfristige Investitionsentscheidungen, und Unternehmen müssen Gewissheit haben, in welche Richtung die Entwicklung geht.

In Großbritannien wird über neue Ökosteuern diskutiert. Ist das für die reichen industrialisierten Ländern ein guter Weg?

Das hängt von den einzelnen Ländern ab. Ich glaube, es wird eine Kombination von Steuern, Emissionshandel, Normen und Regulierung sein. Entscheidend ist, dass ein Preis auf CO2 gesetzt wird und die Menschen klare Anreize haben.

Schatzkanzler Gordon Brown hat diesen verbindlichen, globalen Preis für CO2- Emissionen als zentral herausgestellt. Wie schnell muss das umgesetzt werden?

Sehr schnell. Ich glaube, wir haben nur noch ein paar Jahre Zeit.

Das Gespräch führte Matthias Thibaut.

Sir Nicholas Stern

war zwischen 2000 und 2003 Chefökonom der Weltbank. Der britische Schatzkanzler Brown beauftragte ihn 2005 mit einer Studie zu Folgen des Klimawandels.

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