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Panorama: Jemen: Politik mit Geiseln

Als sich Carl Christian Hoernecke zu Beginn seiner Geiselnahme als stolzer Krieger mit einem Turban auf dem Kopf und einer Kalaschnikow in der Hand ablichten ließ, fand er den Jemen mit seiner traditionellen Stammesgesellschaft noch aufregend und faszinierend. "Es ist bekannt, dass die jemenitischen Stämme ihre Geiseln wie Gäste behandeln, und alles tun, damit diese sich wohl fühlen", meint der Chefredakteur der "Yemen Times", Walid Abdulasis Al-Saqqaf, der gleich zu Anfang einen Reporter ins Versteck der Geiselnehmer schickte.

Als sich Carl Christian Hoernecke zu Beginn seiner Geiselnahme als stolzer Krieger mit einem Turban auf dem Kopf und einer Kalaschnikow in der Hand ablichten ließ, fand er den Jemen mit seiner traditionellen Stammesgesellschaft noch aufregend und faszinierend. "Es ist bekannt, dass die jemenitischen Stämme ihre Geiseln wie Gäste behandeln, und alles tun, damit diese sich wohl fühlen", meint der Chefredakteur der "Yemen Times", Walid Abdulasis Al-Saqqaf, der gleich zu Anfang einen Reporter ins Versteck der Geiselnehmer schickte. Doch die Begeisterung des jungen Mannes aus der schwäbischen Provinz ließ mit der Zeit deutlich nach.

Zwar sind Entführungen von deutschen Touristen, Ingenieuren und Entwicklungshelfern im Jemen keine Seltenheit, doch bisher verschleppten die Stammeskrieger vor allem Ausländer, die sich mit dem eigenen Wagen über die buckeligen Pisten im Hinterland wagten. Mitten in der Hauptstadt Sanaa musste der 22 Jahre alte Arabistik-Student daher höchstens damit rechnen, versehentlich in einen Schusswechsel zwischen Angehörigen verfeindeter Stämme zu geraten.

Doch auch als ihn fünf Angehörige des Al Ali bin Falah-Stammes am 26. Mai mit vorgehaltener Waffe in ein Auto und anschließend in ihr Stammesgebiet in der Region Marib verfrachteten, blieb der Deutsche zunächst noch recht gelassen. "Es geht mir gesundheitlich gut", sagte er einem einheimischen Reporter kurz nach seiner Ankunft im Versteck der Geiselnehmer, rund 150 Kilometer nordöstlich von Sanaa. Er hoffe, bald freigelassen zu werden. Doch die Zuversicht schwand mit jedem weiteren Tag.

Erst musste die Regierung unter Präsident Ali Abdallah Saleh die Scheichs der Umgebung für eine Vermittlungsmission gewinnen. Dann dauerte es wegen Zusammenstößen zwischen Regierungssoldaten und Stammeskriegern erneut einige Tage, bis die eigentlichen Verhandlungen beginnen konnten. Außerdem wurde schnell deutlich, dass die Staatsmacht nicht gewillt war, sich auf die Forderung der Geiselnehmer, die vier Gefangene freipressen wollten, einzulassen. Das Auswärtige Amt konnte selbst direkt nicht in die Verhandlungen eingreifen.

Die Tatsache, dass die Stammeskrieger ihr Opfer diesmal in der Hauptstadt geschnappt hatten, scheint die Regierung erbost zu haben, zeigte es doch, dass die Staatsmacht nicht einmal dort uneingeschränkt herrscht. Tödlich gehen Geiselnahmen im Jemen meist nicht aus. Vielmehr sind die ausländischen Geiseln für die Stämme eine Art Verhandlungsmasse, die sie benutzen, wenn ihnen die Regierung etwa den Bau einer Schule verweigert, oder sie sich sonstwie ungerecht behandelt fühlen. Der von Stammeskriegern im Jemen entführte Student Carl-Christian Hoernecke ist nach seiner Freilassung unversehrt in die Hauptstadt Sanaa zurückgekehrt.

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