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Panorama: Jetzt spielt das Klima verrückt

In Bangladesch waten Frauen in hüfthohem Wasser und recken ihre Hände den Helfern entgegen, die ihnen aus Hubschraubern Nahrung reichen.Weglaufen können sie nicht mehr.

Von Andreas Oswald

In Bangladesch waten Frauen in hüfthohem Wasser und recken ihre Hände den Helfern entgegen, die ihnen aus Hubschraubern Nahrung reichen.Weglaufen können sie nicht mehr.Wohin sollen sie gehen? Zwei Drittel des Landes stehen unter Wasser.In China sind Millionen Menschen auf der Flucht.Sie campieren dichtgedrängt auf winzigen Hügeln, die noch aus dem Wasser ragen oder auf schmalen Deichrücken, die wegzurutschen drohen.Wer festen Boden unter den Füßen hat, gräbt sich Höhlen, um den kommenden Winter zu überstehen.Typhus grassiert.Neue Flutwellen wälzen sich durch das Flußbett des Jangtse und die Soldaten kommen nicht mehr hinterher, Deiche abwechselnd zu sprengen und wieder aufzuschütten, um die Wassermassen zu regulieren.Die Regenfälle hören nicht auf, breiten sich weiter aus.Hochwasser in Tibet, Hochwasser an der russischen Grenze, Hochwasser in Nepal.Sintflutartige Regenfälle in Japan - 14 Tote -, Bangkok unter Wasser.

Ertrinkt Asien? "Vor uns die Sintflut", titelte die immer vorsichtige "Zeit".Meteorologen sagen einhellig, daß die Regenfälle in Asien noch lange anhalten werden.Aber wer ist schuld? Die offensichtliche Vertuschungspolitik der Regierung in Peking lenkte die Aufmerksamkeit auf ihre Versäumnisse: Abholzungen, weitflächige Trockenlegungen, Eindeichungen.Das erklärt aber nicht die Regenfälle.Die, so sagen Wetterforscher, seien eine Folge von La Niña, der Schwester El Niños, die die Prozesse umkehrt.Asien, das vorher unter extremer Trockenheit litt - der Rauch der Waldbrände verdüsterte einen halben Kontinent -, wird jetzt von biblischen Fluten heimgesucht.Gleichzeitig verdorren Teile des amerikanischen Kontinents.

In Kalifornien wüten riesige Busch- und Waldbrände.Das Amazonasgebiet wird von weitflächigen Bränden heimgesucht und raubt vielen dort lebenden Menschen die Existenzgrundlage.

Die berechtigte Kritik an Peking lenkt ab.1998 droht das wärmste des Jahrhunderts zu werden.Meere und Luft in Asien sind wärmer geworden.Warme Luft nimmt mehr Feuchtigkeit auf und beschert höhere Niederschläge.

Alle, die die allgemeine Klimaerwärmung für Hysterie hielten und dabei auf US-Klimadaten verwiesen, wurden jetzt belehrt.Jahrelang hatten Satelliten eine Abkühlung gemessen.Dann stellte sich heraus, daß die Meßergebnisse auf einem Rechenfehler beruhten.Die Studie - veröffentlicht in "Nature" - schlug ein wie eine Bombe.Ergebnis: Es wird nicht kühler, sondern wärmer.

Die Mächtigen wissen Bescheid."Wieviele Beweise brauchen wir dafür, daß die globale Erwärmung eine Tatsache ist", fragte US-Vizepräsident Al Gore Anfang August.Die Umweltminister der acht großen Industrienationen schrieben Anfang April auf Leeds Castle in ihr Kommuniqué: "Der globale Klimawandel ist die größte Bedrohung für die nachhaltige Entwicklung, für die öffentliche Gesundheit und für das zukünftige Wohlergehen." Auch beim Klimagipfel letzten Dezember in Kyoto bekundeten die Industriestaaten, es müsse der Schadstoffausstoß begrenzt werden - viele Worte, viele Ausnahmeregelungen, viele Schlupflöcher.Der Schadstoffausstoß steigt weiter.

Hurrikane werden durch Erwärmung des Meeres und der Luft stark.Sie kamen bislang nie ganz bis Washington.Dafür reichte ihre Kraft nicht.Bisher.Wenn alles so weitergeht, schafft es ja vielleicht mal einer.Aber dann ist es fürs Aufwachen wahrscheinlich zu spät.

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