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Nicht San Francisco 1967, sondern Mecklenburg-Vorpommern 2007: eine Demonstrantin mit Peace-Zeichen.

© Jochen Lübke/dpa

Jubiläum eines Symbols: Das Peace-Zeichen kommt in die Jahre

Das Friedenszeichen wird 60. Es ist weltweit zum Synonym des Protestes geworden, hat aber auch viel Konkurrenz bekommen.

Wir alle werden älter – und mit uns liebgewonnene Gewohnheiten, Gesten, Erkennungszeichen. Nun wird am heutigen Tage auch das „Peace“-Zeichen 60 Jahre alt. Und dabei war es doch einmal ein, wenn nicht das Symbol der Jugend!

Kann man sich eine Anti-Vietnamkriegs-Demonstration ohne das auf US-Army-Parkas – wie passend! – aufgenähte Peace-Zeichen vorstellen? Hippies und Flower Power gab es bereits, ehe das Peace-Zeichen seinen globalen Siegeszug antrat; sie sind jedoch auf engste miteinander verbunden. Denn erst mit der Studentenbewegung, für die die Jahreszahl „1968“ steht, gewann das Peace-Zeichen seine umfassende Bedeutung, wie umgekehrt erst mit der – heute würde man sagen: viralen – Verbreitung des Peace-Symbols die weltweite Protestbewegung ihr Erkennungszeichen erhielt.

Bertrand Russell initiierte das Symbol

Da war das Logo bereits zehn Jahre alt. Entstanden ist es auf Anforderung seitens des Philosophen Bertrand Russell, der damals der Sprecher und das Gesicht der britischen „Kampagne für nukleare Abrüstung“ war, 1958 auf dem Höhepunkt der Berlin-Krise ein hochbrisantes Thema. Den Atomwaffengegnern – ein lockeres Bündnis von Initiativen und Individuen – zeigte der Grafiker Gerald Holtom seinen Entwurf, den bekannten „Hühnerfuß“ im Kreis, am 21. Februar 1958.

Gezeigt, getan – an Karfreitag, dem 4. April 1958, versammelten sich geschätzte 10.000 Protestler unter Schildern mit diesem Zeichen auf dem Londoner Trafalgar Square, von denen etliche zum britischen Atomforschungszentrum Aldermaston weiterzogen. Aus dieser ersten Aktion entwickelte sich der wiederkehrende „Ostermarsch“, der in der Bundesrepublik wohl ab 1960 regelmäßig stattfand – 1990 erstmals als „gesamtdeutscher“ Ostermarsch in Berlin.

Durch sein rundes Design war es als Button ideal

Das Peace-Symbol mutierte zum „Button“, zum Ansteckzeichen; dafür war es durch seine runde Gestalt ideal geeignet. Mit seiner Verbreitung kamen diverse Erklärungen dafür auf, was es mit dem Zeichen auf sich hat. Der Designer Gerald Holtom, Absolvent des Royal College of Arts, erklärte später, er sei zur Zeit des Entwurfs „zutiefst verzweifelt“ gewesen: „Ich malte mich selbst als typisches Beispiel für einen einzelnen, hoffnungslosen Menschen, die Handflächen nach außen und unten gestreckt.“

Das kann man so sehen; und für einen Absolventen der renommierten Londoner Kunstschule lag es womöglich nahe, an Goyas berühmtes Gemälde der „Erschießung der Aufständischen“ zu denken, wo die Hauptperson die Arme in Schrägstellung hochreißt – was der Grafiker dann umgekehrt und nach unten gedreht hat. Verzweiflung statt Empörung, Verstummen statt Aufschrei.

Zur Begrüßung ein gedehnt gesprochenes "Peace"

So wollten es die Ostermarschierer natürlich nicht sehen, und noch weniger ihre Nachfolger, die sich um die Anti-Vietnamkriegs-Demos sammelten. „Vietnam“ wurde zur Chiffre des Protests gegen „das Establishment“ und seine menschenverachtende Politik, das Peace-Logo das Erkennungszeichen der Gleichgesinnten.

„Make love not war“ war dann der Leitspruch, der das unpolitische Ideal des Hippietums mit dem politischen Anspruch der Protestler vereinte: Liebe und Protest, das eine tun und das andere nicht lassen. Ein gedehnt ausgesprochenes „Peace“ wurde zur Begrüßungsformel, und wer es politisch noch korrekter wollte – lange bevor es political correctness als Begriff gab –, der erweiterte die Grußformel zu einem „Peace, brother, peace!“

Konkurrenz durch die aggressive schwarze Faust

Doch schon in jenem ominösen Jahr 1968, das als Geburtsjahr und zugleich Höhepunkt aller jugendlichen Proteste mit ihrer nachfolgenden Gesellschaftsveränderung gilt, geriet die „Peace“-Haltung in Konkurrenz durch die aggressivere, gereckte Faust, mit der die schwarzen US- Olympiasieger von Mexico City ihren Protest gegen die fortdauernde Rassendiskriminierung in ihrer Heimat kundtaten. Kaum war das Peace-Zeichen global geworden, wurde ihm sein Rang streitig gemacht; beispielsweise wollte sich die bundesdeutsche Studentenbewegung von ’68 nicht mehr auf die „Kampf dem Atomtod“-Bewegung der frühen sechziger Jahre beziehen lassen.

Die Anti-Atomkraft-Sonne okkupierte einen Teil der Botschaft

So lebte denn das Peace-Logo fort – vom Symbol zum Logo, auch das –, es fand und findet sich wieder auf T-Shirts, Jacken, Umhängetaschen, worauf auch immer sich dieses so eingängige Zeichen drucken oder heften lässt. Seinen Gehalt als Anti-Atom-Signal hat es allerspätestens mit dem Ende der Ost-West-Blockkonfrontation von 1989/90 verloren, eher schon früher, als ihm die orangefarbene Sonne auf leuchtend gelbem Grund der Atomkraftgegner Konkurrenz machte, umringt von dem herrlich lässigen Drei-Wort-Spruch „Atomkraft? Nein danke!“ Da konnte das sehr allgemeine „Peace“ nicht mithalten und ebenso wenig der Hühnerfuß, der eben nicht derart selbsterklärend ist wie die lebensspendende und schon darum der Atomkraft- Hybris abgeneigte Sonne.

Sechzig Jahre alt ist das „Peace“-Zeichen nunmehr, und es zählt zum Bestand global gültiger Symbole wie, sagen wir, die Olympischen Ringe. Anders als diese aber ist das „Peace“-Symbol nicht urheberrechtlich geschützt. Niemand kann mit Rechteverwertung Geld machen – lediglich mit dem Geld derer, die sich einen solchen Button kaufen, meist, um einfach nur dabei zu sein.

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