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Verboten. Das Schächten ist im jüdischen Glauben verwurzelt. Polen verbietet die rituelle Schlachtung wie hier in Jerusalem nun. Foto: AFP

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Juden empört: Polen verbietet das Schächten

Polen verbietet das rituelle Schlachten von Tieren. Die Juden im Land fürchten nun um ihre Kultur. Tierschützer argumentieren, Schächten verursache unnötiges Leid.

Der polnische Oberrabiner hat in seinen zehn letzten Amtsjahren schon einiges miterlebt. Als die Kaczynski-Zwillinge regierten, stürzte sich ein Messerstecher auf Michael Schudrich, antisemitische Schmierereien sind immer noch an der Tagesordnung und verfeindete Fußballfans oder auch Politiker werden kurzerhand als „Juden“ beschimpft. Aber der Parlamentsbeschluss vom vergangen Freitag hat selbst Schudrich aus dem Gleichgewicht gebracht. Der Sejm beschloss nämlich mit großer Mehrheit das sofortige Verbot des Schächtens. „Wenn das Schächtverbot bleibt, trete ich zurück“, sagt Schudrich nun.

Auch das israelische Außenministerium zeigte sich am Montag enttäuscht über den Parlamentsentscheid und bezeichnete das Schächtverbot in einer Stellungnahme als „offenen Anschlag auf die religiöse Tradition der Juden“. Die polnische und jüdische Geschichte seien eng miteinander verknüpft. Umso mehr erstaune, dass ausgerechnet Polen nun in der EU mit einem Verbot des Schächtens vorpresche. „Dieser Entscheid stellt die Rückkehr jüdischen Lebens nach Polen ernsthaft infrage“, heißt es in der Erklärung.

Immer mehr Polen entdecken seit ein paar Jahren ihre jüdischen Wurzeln und interessieren sich für das jüdische Erbe des Landes. Doch Schudrich kritisiert nun, die polnische Öffentlichkeit sei einer Propaganda aufgesessen, wie es sie zuletzt unter den Nationalsozialisten gegeben habe. „Rituelle Schlachtungen werden in unserem Lande dämonisiert“, sagte er gegenüber Radio ZET und forderte Sonderregelungen für die religiösen Bedürfnisse von Juden und Muslimen. Die Regelung sei ein Anschlag auf beide Religionsgemeinschaften.

Bauernlobby in Polen fürchtet um Absatzmärkte in Nahost

Ein Anfang Januar in Kraft getretenes Tierschutzgesetz hatte das Schächten ohne vorherige Betäubung bereits im Grunde verboten. Doch das Landwirtschaftsministerium hatte Sondergenehmigungen für die Herstellung von Koscher- und Halal-Fleisch beschlossen. Die Bauernlobby fürchtete nämlich um Absatzmärkte für polnisches Fleisch in Nahost.

Tierschutzorganisationen riefen daraufhin das Verfassungsgericht an und überzeugten es mit ihrer Behauptung, das Schächten sei brutal und füge den Tieren unnötige Schmerzen zu. Die Regierung versuchte die Angelegenheit schließlich mit einem Sondergesetz zu lösen.

Doch die rechte wie linke Opposition stimmte am Freitag fast geschlossen gegen die Regierungsvorlage, die Schächten erlaubt hätte, ohne dabei das neue Tierschutzrecht anzutasten. Möglich ist, das antisemitische Motivationen beim Stimmverhalten der konservativen Oppositionspartei eine Rolle spielten. Jüngst ist ein Abrücken Jaroslaw Kaczynskis von den Positionen seines toten Bruders und Ex-Staatspräsidenten Lech Kaczynski zu beobachten. Der politisierte zwar oft am rechten Rand, galt jedoch nicht als Antisemit.

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Lesen Sie hier, wie die Situation in Deutschland ist.

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