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Katholische Kirche: Schweigen macht selig

Benedikt XVI. leitet weitere Schritte zur Seligsprechung Johannes Pauls II. ein – und zugleich Pius’ XII.

„Santo subito“, sofortige Heiligsprechung. Das forderten Gläubige in Sprechchören bei der Beerdigung von Papst Johannes Paul II. im Jahr 2005. Der Heiligkeit ist der verstorbene polnische Papst am Samstag einen Schritt nähergerückt. Sein Name findet sich unter 21 Anwärtern, die Benedikt XVI. in einem Seligsprechungsdekret nennt. Darin bestätigt der Papst mit der rituellen Formel den „heldenhaften Tugendgrad“ seines Vorgängers.

Dem Kirchenrecht zufolge soll der Prozess zur Seligsprechung erst fünf Jahre nach dem Tod eines Menschen beginnen. Erst dann, so meint man, seien die Emotionen des Augenblicks abgeklungen und ein klares Urteil über Leben und Werk jener Persönlichkeit möglich, die man den Gläubigen amtlich-unfehlbar als Vorbild und Leitstern auf dem Lebensweg anempfehlen möchte.

Papst Johannes Paul II. ist noch keine fünf Jahre tot – doch über seine Seligkeit bestehen im Vatikan schon jetzt keine Zweifel mehr: nach jener „Volksabstimmung“, den teils spontanen, teils organisierten Rufen bei Wojtylas Beerdigung im April 2005, ist nun auch der formelle Untersuchungsprozess beendet. Wenn nun noch eine jener Heilungen, die man Johannes Pauls II. himmlischem Fortwirken zuschreibt, als medizinisch unerklärbares Wunder anerkannt wird, dann könnte nächstes Jahr sowohl in Polen als auch in Rom das große Fest stattfinden: Karol Wojtyla (1920–2005) würde zur „Ehre der Altäre“ erhoben. Und keiner seiner Anhänger zweifelt daran, dass die Seligkeit – die eigentlich nur eine regional begrenzte Verehrung erlaubt – lediglich das formal unumgängliche Durchgangsstadium zu Johannes Pauls II. wahrer Bestimmung ist: zur Heiligsprechung.

Inzwischen aber kennt man auch Benedikt XVI. lang genug um zu wissen, dass er in vieles, was er sagt oder unternimmt, ein verstörendes Element einbaut. So war es auch bei seinem Selig- und Heiligsprechungsdekret vom Samstag. Unter den 21 Namen dort taucht unvermittelt auch Pius XII. auf.

Geboren als Eugenio Pacelli 1876, zum Kirchenoberhaupt gewählt 1939, ist er der wohl umstrittenste Papst des 20. Jahrhunderts. Spätestens seit Rolf Hochhuths Provokationsstück „Der Stellvertreter“ (1963) wird dem „Schweigepapst“ öffentlich vorgeworfen, sich zur Schoah nicht geäußert und sich damit zu Hitlers Komplizen bei der Judenvernichtung gemacht zu haben. Je schärfer die Angriffe wurden, umso mehr setzte der Vatikan daran, Pius XII. in der ehrenhaftesten Form zu rehabilitieren: per Seligsprechung. Den Forschern der Welt sind zwar die Archive aus Pius’ Pontifikat noch verschlossen, die Kurie indes hat ihren Untersuchungsprozess bereits 2007 mit einem einstimmigen, positiven Votum beendet. Angesichts der Proteste aus jüdischen Kreisen hat Benedikt XVI. die Akten durch eine ungewöhnliche Art von Berufungsgericht geschickt und sich Bedenkzeit genommen.

Begleitet wurde diese Epoche durch eine regelrechte Kampagne in der Vatikanzeitung „Osservatore Romano“, die an Pius XII. eine gute Seite nach der anderen herausstrich. Und aus den Worten des greisen Jesuitenpaters Peter Gumpel, der Pius’ fromme Sache als Anwalt vor dem Untersuchungsprozess vertrat, wird deutlich, wie man in der Kurie über die Proteste von außen denkt: Das seien alles, sagt Gumpel, „Kommunisten, Freimaurer, kirchenfeindliche Leute, die gegen den Heiligen Vater agieren.“ Wenn „gegen Pius XII. so fanatisch geschrien wird, dann geht es nicht um seine Person, es geht gegen die katholische Kirche.“ Im Sommer hatte Gumpel die verzögerte Seligsprechung sogar auf eine jüdische Erpressung zurückgeführt: „Die haben gedroht, die Beziehungen zum Vatikan abzubrechen.“ Gumpels Sätze waren damals sogar dem Pressesprecher des Papstes zu viel. Federico Lombardi teilte mit, man möge den Papst „frei von Druck seine Entscheidung treffen lassen“.

Nun hat Benedikt XVI. entschieden. Zusammen mit dem beliebten Johannes Paul II. schleust er Pius XII. in Richtung Seligkeit. Der eine ist ein Volksheiliger, der andere ein reiner Kurienheiliger. Und vielleicht liegt es auch an Pius’ fehlender Verehrung bei den Gläubigen, dass zu seiner endgültigen Seligsprechung das entscheidende Element offenbar noch fehlt: ein Wunder.

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