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Panorama: Kein Witz

Ein Grieche machte sich im Internet über Atatürk lustig – die Türkei sperrte den Zugang zu Youtube

Nichts ist den Türken heiliger als das Andenken an ihren Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk. Der General mit den stahlblauen Augen, der fast im Alleingang die moderne Republik schuf, wird bis heute als „Vater der Türken“ verehrt. Wie sensibel die Türken bei diesem Thema sind, weiß offensichtlich auch „Stavreatos“, ein griechischer Nutzer der beliebten Videotausch-Website Youtube. Er veröffentlichte einen halbminütigen Clip, auf dem Atatürk mit rosa Wangen dargestellt wird und verkündet: „Ich bin der Vater der schwulen Türken.“ Die Beleidigung löste wüste Beschimpfungen und Protestbotschaften von türkischen Youtube-Besuchern aus. Seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte der Cyber-Krieg zwischen den langjährigen Erzfeinden Türkei und Griechenland mit der Anordnung eines Istanbuler Richters: Er ließ den Zugang zu Youtube aus der Türkei sperren.

Wie häufig bei griechisch-türkischen Streitigkeiten ist nicht so recht auszumachen, wer mit den Beleidigungen angefangen hat. Dass „Stavreatos“ Atatürk lächerlich machte, war offenbar eine Reaktion auf türkische Clips bei Youtube, mit denen Hohn und Spott über angeblich „schwule Griechen“ ausgeschüttet wurde. Rund 220 000 Protestbotschaften seien nach dem Werk von „Stavreatos“ bei Youtube eingegangen, meldeten türkische Zeitungen. Einige Medien in der Türkei riefen ihre Leser und Zuschauer auf, sich an den Protesten zu beteiligen, und veröffentlichten englischsprachige Musterbriefe, die an Youtube geschickt werden sollten. Türkische Amateurvideoproduzenten veröffentlichten auf Youtube Hassbotschaften an „Stavreatos“.

Der Streit rief auch bald die türkischen Behörden auf den Plan: Die Beleidigung von Atatürk ist in der Türkei strafbar. Auf Antrag eines Staatsanwalts befahl ein Istanbuler Gericht der türkischen Telekom die Sperrung von Youtube – eine Maßnahme, auf die die Gerichte auch bei Websites aus dem Dunstkreis der kurdischen Rebellengruppe PKK zurückgreifen.

Das Youtube-Verbot ist jedoch heftig umstritten. Einige türkische Fans der Website reichten am Donnerstag Strafanzeige gegen die Staatsanwälte ein, von denen die Initiative zur Sperrung ausgegangen war. Das Gericht erklärte inzwischen, Youtube könne wieder freigegeben werden, wenn der Atatürk-Spot aus dem Programm genommen werde. Laut Youtube ist das geschehen. Die türkische Telekom erklärte am Donnerstagnachmittag, sie warte vor der Freischaltung die offizielle Benachrichtigung durch das Gericht ab.

Schuld an der ganzen Aufregung seien die Türken selbst, finden einige Beobachter. Wenn nicht so viel Aufhebens um „Stavreatos“ gemacht worden wäre, hätte dessen Atatürk-Clip längst nicht die derzeitige Prominenz erhalten, kritisierte der Kolumnist Mehmet Yilmaz in der Zeitung „Hürriyet“. Zudem sei absehbar, dass es nicht der letzte derartige Fall gewesen sei.

Da könnte er recht haben. Auf Youtube und ähnlichen Websites sollen heimlich gefilmte Aufnahmen aus einem Ausbildungscamp der griechischen Armee kursieren. Sie zeigen laut „Hürriyet“, wie griechische Soldaten ein Lied über die Rückeroberung Istanbuls singen.

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