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Panorama: Keine falsche Bescheidenheit

In Hamburg steht der Hochstapler Jürgen Harksen vor Gericht – seine Frau muss sich wegen Beihilfe verantworten

Großer Medienandrang vor der Wirtschaftsstrafkammer des Hamburger Landgerichts: seit Freitag muss sich dort der Finanzjongleur und mutmaßliche Großbetrüger Jürgen Harksen (42) verantworten, weil er zwischen 1990 und 1992 drei Geldanleger um umgerechnet 17,9 Millionen Euro geprellt haben soll. Seine Frau Jeanette (40) ist wegen Beihilfe zum Betrug angeklagt, befindet sich aber nicht in Untersuchungshaft. Außerdem muss sich der Wirtschaftsprüfer Dirk H. wegen versuchter Strafvereitelung und Betruges verantworten. Das Verfahren gegen einen vierten Angeklagten, ebenfalls wegen Beihilfe, wurde am Freitag abgetrennt.

Die Zahl der Geschädigten ist in Wahrheit wesentlich größer. Doch hatte der Staat Südafrika, wo die Harksens zuletzt lebten, die Auslieferung nur für den Fall zugelassen, dass lediglich die Fälle von drei Betroffenen zugelassen werden. Diese drei hatten zuvor bereits in den Auslieferungsverfahren in dem afrikanischen Land gegen Harksen ausgesagt. An die Auflagen des südafrikanischen Justizministeriums ist das Hamburger Gericht völkerrechtlich gebunden. Harksen, auf zahlreichen Fotos aus früheren Jahren stets als eleganter Strahlemann an der Seite irgendwelcher Prominenz zu sehen, bemühte sich am Freitag bei seinem ersten Auftritt vor Gericht offenkundig um Bescheidenheit und drückte sich schnell durch das Spalier der Fotografen.

Als jemand rief „Sind Sie ein Betrüger, Herr Harksen?" antwortete er kurz: „Wir werden es sehen." Einst war der gelernte Bankkaufmann Harksen ein Lieblingskind bei gut betuchten Hamburgern, die gern noch etwas mehr gehabt hätten. Denn er versprach ihnen das Blaue vom Himmel herunter. Zum Beispiel einen Gewinn von gleich 1300 Prozent, wenn sie ihr Geld über ihn anlegen würden. Einige vertrauten ihm 10 000 Mark an, andere 100 000, einer sogar 27 Millionen Mark. Überzeugungsarbeit leistete Harksen dabei nicht nur mit „guten Geschichten“ von Zeitgenossen, die es auf die Schnelle zu viel Geld gebracht hatten, sondern, wie frühere Freunde berichten, auch mit einem aufwändigen Lebensstil, mit Luxusautos und Champagnerpartys.

Zu denen, die er so über das Ohr haute, zählten unter anderem der bekannte Hamburger Bauunternehmer Siegfried Greve und der Pop-Musiker Dieter Bohlen. Auch Rock-Sänger Udo Lindenberg hatte Geld gegeben, dann aber offenbar den Braten gerade noch rechtzeitig gerochen und sein Geld mit Erfolg zurückverlangt und auch bekommen. Als die staatlichen Ermittler den windigen Geschäften auf die Spur kamen, ging das Ehepaar Harksen Ende 1993 nach Südafrika und zog dort in einem Kapstadter Nobel-Vorort, wo die beiden mit ihren Kindern ihr luxuriöses Leben weiterführten: große Villa, Maserati und Mercedes, ein künstlicher Wasserfall. Auch dort verkehrte man wieder in den gut betuchten Kreisen und ließ es sich wohl sein. Doch das Wohlleben des mutmaßlichen Betrügers unter der heißen afrikanischen Sonne blieb nicht ganz ungestört, sondern endete mit der Auslieferung nach Deutschland im Oktober des vergangenen Jahres. Harksen dürfte es jetzt als pure Ironie empfinden, dass der Prozess ausgerechnet an einer Straße namens „Kapstadtring“ in der Hamburger City Nord stattfindet.

Karsten Plog[Hamburg]

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