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Kim Schmitz: Aufstieg und Fall eines Hochstaplers

Der Hochstapler, Party-König, Ex-Hacker und Internet-Unternehmer fürchtet um sein Leben: „Die Münchner Rotlichtbosse wollen mich umbringen.“ Er soll ihnen 500 000 Euro schulden.

TV-Teams gehen hinter rotweißen Absperrgittern in Stellung, Justizwachbeamte kontrollieren den Münchner AmtsgerichtSaal 122. Zuhörer werden mit Metalldetektoren abgetastet, Handys müssen draußen bleiben. Hohe Sicherheitsstufe im Fall Kim Schmitz (28, Spitz: Dr. Kimble), angeklagt wegen verbotenen Insiderhandels mit Aktien. Der Hochstapler, Party-König, Ex-Hacker und Internet-Unternehmer fürchtet um sein Leben: „Die Münchner Rotlichtbosse wollen mich umbringen.“ Er soll ihnen 500 000 Euro schulden.

Alles Märchen oder berechtigte Angst?

Um kurz vor neun Uhr kommt er endlich: Mit seinen zwei Metern und 186 Kilo stellt er fast jeden in den Schatten. Zwei Wachleute führen ihn hastig zur Anklagebank. Seine Mutter Amelie und Freundin Laura sitzen im Saal, winken. In einer Verhandlungspause nehmen sie Kim in den Arm. „Macht euch keine Sorgen, alles läuft prima“, sagt Schmitz, der seit vier Monaten in Stadelheim in U-Haft sitzt.

Tatsächlich hat er ein wenig Glück. Das Amtsgericht München verurteilte am Montagabend Kim Schmitz wegen verbotenenen Insiderhandels mit Aktien zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten. Schmitz muss zudem eine Geldstrafe von 100 000 Euro zahlen. Das Gericht folgte der Forderung der Staatsanwaltschaft. Schmitz war bereits zwei Mal wegen Betruges verurteilt worden. Im Höchstfall hätte er fünf Jahre Haft bekommen können.

Kim Schmitz ist tief gefallen. Früher machte er lange Zeit mit seinen berüchtigten Spritztouren und teuren Partys von sich reden. Einmal holte er seine Freunde in München mit 15 Ferraris ab, fuhr mit ihnen nach Monaco zur Formel 1. Nach dem Rennen charterte er eine Riesenyacht, wo schon die Frauen im Bikini auf die Männerhorde warteten. Geld und Frauen waren das Markenzeichen von Kim Schmitz. Mit seinen Protzereien wollte er Geschäftsleuten imponieren, deren Geld er brauchte. Seine größte Angst war es, nicht aufzufallen. Seinen Ruhm begründete er zunächst als Dr. Kimble in der Hackerszene, bevor er als Unternehmer zur Legende der New Economy wurde. Er zeigte sich in der Öffentlichkeit, als wäre er Multimillionär. „In zehn Jahren gehöre ich zu den 100 reichsten Menschen der Welt“, sagte er jedem, der es hören wollte. Die Partygirls, die sich um ihn scharten, mehrten sichtlich sein Wohlbefinden. Mit ihnen ließ er sich gerne ablichten, die Fotos stellte er ins Internet, damit jeder sehen konnte, wie toll er bei den Frauen ankam.

Die Boulevardpresse überschlug sich. „Ein deutsches High-Tech-Märchen“, „Superhirn“ hieß es zunächst, und jede Party, auf der sich Kim Schmitz blicken ließ, wurde ausführlich besprochen. Als immer deutlicher wurde, dass es mit seinem Reichtum nicht weit her war, änderte sich die Intonierung: „Großkotz“ („Bild“), „Großmaul“ („Stern“).

Kim Schmitz machte einen großen Fehler. Er ließ sich mit dem Rotlicht-Milieu ein und spekulierte auf die Dummheit seiner Partner. Er versprach ihnen hohe Renditen, wenn sie ihm Geld gäben. Der Unterschied zu seriösen Partnern: Sie schickten Geldeintreiber vorbei, als die Rendite nicht kam. Sie konfiszierten Möbel und sein schickes Auto. Kim Schmitz machte daraufhin einen zweiten Fehler. Er ging zur Polizei. Anschließend flüchtete er nach Bankok, aus Angst vor den Rotlichtbossen, wie er sagt, nicht aus Angst vor der Justiz. Die suchte ihn ebenfalls. Anfang 2001 hatte er einen Deal eingefädelt, der Gegenstand des jetzigen Verfahrens war. Die Internet-Firma LetsBuyit.Com stand vor dem Konkurs. Schmitz („Ich war der weiße Ritter, der die Firma gerettet hat“, „Ich war der Gerhard Schröder für Arme") wollte 1,15 Millionen Euro geben. Bedingung: Der Vorstand musste eine Eilmeldung an die Medien leiten. Darin stand, dass Investoren die Firma mit 50 Millionen Euro retten werden. Schmitz wird vorgeworfen, dass er vor der Eilmeldung billig Aktien für 375 000 Euro eingekauft habe. Danach stieg der Kurs rasch an und Schmitz machte mit seinem Insiderwissen einen dicken Gewinn.

„Ich bin unschuldig“, sagte Kim Schmitz gestern. Sein Strafverteidiger Thomas Pfister: „Das war kein verbotener Insiderhandel.“ Dem großen Börsenmagazin „Telebörse", das die umstrittenen Geschäftsmethoden ans Licht gebracht hatte, warf Schmitz Lügen und Verleumdungen vor. Das Blatt habe ihn als „Drei-Zenter-Großmaul" fertig machen wollen, worunter er finanziell bis heute leide. Er habe inzwischen sein gesamtes Vermögen verloren.

Spricht irgendetwas für Schmitz? Eine „günstige Sozialprognose“, sagte die Vorsitzende Richterin Regina Holstein. Was wird Schmitz jetzt tun? Das sagte er direkt im Anschluss an den Prozess: Er werde sich „wahrscheinlich ins Ausland verabschieden“.

Torsten Huber

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