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© Froto: dpa

Klatten-Erpresser: Gigolo hinter Gittern

Helg Sgarbi, der Erpresser der Milliardärin Susanne Klatten, wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt. Nach dem Urteil zeigte sich Sgarbi in Scherzlaune.

Man weiß nicht so genau, wie ein Gigolo aussieht, als der Helg Sgarbi immer wieder bezeichnet worden ist. Sgarbi jedenfalls, als er am Montag zu seinem Prozess am Landgericht München erscheint, trägt einen dunkelblauen Anzug mit Weste samt blauer Krawatte. Zu Beginn der Hauptverhandlung wirkt er am ehesten wie der Hauptbuchhalter einer Bank. Als sich allerdings nach der einzigen Verhandlungspause abzuzeichnen beginnt, dass die Sache für ihn nicht ganz schlecht steht, ist es, als ob er einen Schalter umgedreht hätte. Der Mann, der zunächst den Charme eines Controllers verströmt hatte, beginnt plötzlich zu lächeln, zu lachen, mit den Armen zu wedeln, die Gesten eines Predigers zu nutzen. Es gibt also zumindest zwei Helg Sgarbi.

Viel mehr weiß man über den Schweizer Angeklagten aber auch nach seinem Strafprozess nicht. Susanne Klatten, die reichste Frau Deutschlands, hatte 2007 eine Beziehung, die jedenfalls aus ihrer Sicht eine Liebesbeziehung war, mit Sgarbi begonnen. Jener hat durch seinen Verteidiger dem Gericht ganz pauschal bestätigen lassen, dass es ihm, wie in der Anklageschrift behauptet, nicht um Liebe, sondern um Betrug und Erpressung gegangen ist. „Die Vorwürfe treffen im Kern zu.“ Das war auch schon das ganze Geständnis.

Denn Sgarbi hat auch zu seinem Lebenslauf geschwiegen, nur einige Dokumente verlesen lassen. Er ist verheiratet und hat eine dreijährige Tochter. Er kann sechs Sprachen sprechen, hat das Jurastudium in der Schweiz „cum laude“ abgeschlossen und es in der Schweizer Armee mit geringem Aufwand zum Oberleutnant gebracht. Die Schweizer Kreditanstalt bescheinigte ihrem Angestellten, er sei belastbar, hilfsbereit und von „angenehmer Art“, ein bisschen später beschreibt sie ihn in einem weiteren Zeugnis als engagiert, analytisch und kontaktfreudig.

Letzteres war er auf jeden Fall. Sgarbi war es laut Anklage und damit nach seinem Minimalgeständnis gelungen, nicht nur eine sexuelle Beziehung zu Susanne Klatten, sondern zuvor auch zu drei weiteren wohlhabenden Frauen aufzubauen, um sie danach um Millionen zu betrügen oder von ihnen das Geld zu erpressen.

Insgesamt hat er so seit 2005 9,4 Millionen Euro ergaunert. Nicht immer war er erfolgreich; manchmal blieben seine Taten im Versuchsstadium stecken. Als Druckmittel für seine Erpressungsversuche nutzte er heimlich aufgezeichnete Videos, die ihn zusammen mit seinen Opfern bei Intimitäten zeigten. Nur eines der Opfer, Susanne Klatten, von der er sieben Millionen Euro bekommen hat und von der er weitere 49 Millionen gefordert hatte, ging zur Polizei.

Die Polizei hat Sgarbi daraufhin im Januar 2008 bei dem Versuch festgenommen, sich das Erpressungsgeld geben zu lassen. Das bayerische Landeskriminalamt hat umfänglich, aber nur mit begrenztem Erfolg ermittelt, wie ein Beamter als einziger Zeuge in München aussagte. „Gewiss weiß man nix“, sagte der Beamte, als er vom Richter nach dem Verbleib der Videos gefragt wurde. Es müsse zumindest eines von Susanne Klatten gegeben haben. Dies ist deshalb sicher, weil Susanne Klatten von Sgarbi Videoprints, kurze Ausschnitte also, übermittelt bekam – verbunden mit der Drohung, das Material der Familie, den Firmen, an denen sie beteiligt ist, und der Presse zuzusenden. Alle Durchsuchungsaktionen nach den Originalen blieben aber ohne Erfolg.

Ziemlich erfolglos blieb auch die Suche nach dem ergaunerten Geld. Bei Sgarbi wurde gar nichts gefunden. Da gibt es aber noch den möglichen Mittäter Ernano B., gegen den die italienische Justiz ermittelt und der in München nicht erschienen ist. Ernano B. war mit auf dem Parkplatz, auf dem Sgarbi bei der misslungenen Geldübergaben verhaftet wurde. Ernano B. hatte das Hotelzimmer neben Sgarbi gemietet, als das Erpresservideo von Klatten aufgenommen wurde. Ernano B. war im Besitz eines Zettels mit den Telefonnummern aller vier Erpressungsopfer. Aber Ernano B. sagt, er habe mit den Taten nichts zu tun. Dabei wurden bei Ernano B. drei bis vier Millionen Euro gefunden, zum Teil in jenen 500-Euro-Scheinen, mit denen die Opfer gezahlt hatten. Aber ob es tatsächlich das ergaunerte Geld war, weiß die Polizei nicht – und es fehlen immer noch etliche Millionen.

Die Tat selbst war eingestanden. Verteidiger Egon Geis aber arbeitete heraus, dass es Klatten war, die Sgarbi noch zweimal angerufen hat, nachdem sie es zunächst abgelehnt hatte, ihm Geld zu geben. Es war Klatten, die den Kontakt wieder aufgenommen hatte, nachdem sie doch zunächst das – zutreffende – Gefühl hatte, „da will einer nur mein Geld“. Und in seinem Urteil wird das Gericht diesen Gedanken aufnehmen und formulieren: „Eine gewisse Leichtfertigkeit der Opfer kann nicht verkannt werden.“ Der Staatsanwalt forderte neun Jahre Haft, das Gericht blieb mit sechs Jahren um ein Drittel darunter. Der Vorsitzende Richter Gilbert Wolf gab für die große Differenz eine sehr offene Erklärung: Durch das Geständnis sei nicht nur den Opfern eine sie sehr belastende Zeugenaussage erspart worden, ohne einen nachhaltigen Strafrabatt würde es auch in ganz anderen Fällen in der Zukunft keine geständigen Angeklagten mehr geben. Die Belastungen der Justiz würden dann steigen.

Stefan Geiger[München]

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